Lesestoff: Profs
■ Allgemeinplätze
Wenn Professoren von einem Text sagen, er sei „journalistisch“ geschrieben, bedeutet das soviel wie „unwissenschaftlich“ und ist in der Regel wenig schmeichelhaft gemeint. Der „Professoren-Report“ des Wissenschaftsjournalisten Jörg Zittlau dürfte freilich nicht dazu beitragen, dieses Vorurteil auszuräumen.
Gleich in der Einleitung stellt er klar: „Die Mehrheit der Professoren erfüllt ihre Aufgaben so, wie man es von ihnen erwartet.“ Es geht ihm also um den spektakulären Einzelfall. Als Fach steht daher die Medizin ob der üppigen Nebenverdienste im Mittelpunkt, daneben erwecken Arbeitsmediziner und Toxikologen als gefällige Gutachter Zittlaus Interesse. Besonderen Gefallen hat er am Würzburger Doktor-Fabrikanten Lothar Bossle gefunden – in jedem Kapitel erscheint dessen Name mehrmals, inhaltliche Wiederholungen bleiben da nicht aus. Neu sind auch die Enthüllungen Manuel Theisens über die Geschäfte der Promotionsberater nicht, ebensowenig die Allgemeinplätze zum Umbau der Universitäten im Osten, die einen „Tummelplatz für abgehalfterte West-Professoren“ abgäben. Daß Zittlau für „Geisteswissenschaftler, deren westliche Ausschußware im Osten ihre letzte Chance wittert“, kein besseres Beispiel als den Historiker Heinrich August Winkler fand, macht die These nicht plausibler.
Wenig erhellend sind auch die Ausführungen über die Gelehrten im Mittelalter: „Die damalige Bildungselite stand meistens im Dienste irgendeines Klosters, wo man in einem asketischen Kämmerlein nach dem Leitsatz ,Ich allein mit Gott‘ in sich hineinphilosophierte.“ Daß er das Humboldtsche Idealbild von „Einsamkeit und Freiheit“ des Wissenschaftlers ins 16. Jahrhundert zurückverlegt, den Biologen Hubert Markl zum Soziologen macht, außerplanmäßige mit außerordentlichen Professoren verwechselt und einige Namen konsequent falsch schreibt, erstaunt dann kaum noch. Auch das Entsetzen über einen Soziologen, der einen Lehrstuhl für Volkswirtschaft innehat, wäre durch einen Blick auf Max Weber gemildert worden. Die Frankfurter Schule gilt ihm schlicht als „Suhrkamp-Zitier-Zirkel“ zur gegenseitigen Karriereförderung. Die erstaunliche These, Habermas habe die Laufbahn von Horkheimer und Adorno vorangebracht, bleibt allerdings ohne Beleg.
Systematisch ist das Buch überhaupt nicht und will es aus Prinzip nicht sein – Systeme führen, so Zittlaus Erkenntnis, zwangsläufig zum Faschismus. Strukturen zu beleuchten, wie Frauenbeauftragte verschiedener Universitäten ihm vorschlugen, findet er „damenhaft“. Statt dessen liegt ihm daran, „die Übeltäter an den Pranger zu stellen“. Die Lust am Skandal verdeckt den Blick auf die strukturellen Mängel der deutschen Ordinarien-Universität. Angesichts des reißerischen Titels drängt sich der Verdacht auf, daß Zittlau mit seinem Buch vor allem eines wollte: Kasse machen. rab
Jörg Zittlau: „Eine Elite macht Kasse. Der Professoren-Report“. Rasch und Röhring, 234 Seiten, 36 DM.
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