Richtig ist immer falsch

■ Der südafrikanische Publizist Sandile Dikeni ist von den Grünen angetan

Sandile Dikeni schließt die Reihe unserer fünf Kurzinterviews mit ausländischen WahlkampfbeobachterInnen, die auf Einladung des DAAD die Republik bereisen.

taz: Sie waren sehr von der Bürgerrechtlerin Bohley angetan.

Sandile Dikeni: Ich komme schließlich aus einem Land, das den zivilen Widerstand, das sehr starke soziale Bewegungen gegen die Apartheid entwickelt hat. Doch viele derjenigen, die vorher in den sozialen Bewegungen arbeiteten, sind heute in den neuen Parteien und sitzen im Parlament.

Ist das nicht zwangsläufig, und warum soll es schlimm sein?

Ich sähe es lieber, wenn die sozialen Bewegungen sich in Organe der Zivilgesellschaft verwandeln würden. Sie sollen watchdogs auch der neuen Demokratie bleiben. Dazu muß man nicht parlamentarische Kraft sein.

Kommen wir zu den parlamentarischen Kräften hier.

Die sind so lächerlich! Fast alle Parteien sagen das gleiche. Weil man sich in der einen entscheidenden Frage einig ist: daß Deutschland ein Wohlfahrtsstaat ist, auch wenn der in einer tiefen Krise ist. Der Rest ist Lyrik. Vielleicht mit einer Ausnahme, den Grünen. Sie meinen zu Recht, daß man sich etwa über die Nato unterhalten müsse. Sie sagen, schafft sie ab, sie ist ein Relikt des Kalten Krieges. Das ist eine wichtige Debatte, ein aufregendes Thema. Aber kein Kohl sagt das. Hier redet man um den heißen Brei herum. Hier sagt man nicht „Kapitalismus“, man sagt „freie Marktwirtschaft“. Alles ist so trocken, so langweilig, ja kalt. Ohne Elektrizität. So, als ob schon über alles entschieden wäre, als ob alles schon da wäre. Aber gerade die Jugend sucht Themen, die noch nicht angesprochen wurden, sie will das „Dahinter“!

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der PDS?

Ich glaube, ihre Rolle ist, die Krise des Wohlfahrtsstaates zu vertiefen. Dieser „Definitismus“, daß der Sozialismus tot ist, muß herausgefordert werden. Unsere Gruppe war auch zu Besuch beim Stuttgarter CDU-OB Rommel. Jemand sagte „Das ist richtig“, woraufhin er meinte: „Richtig ist immer falsch.“ Das gefiel mir.

Die Dinge haben Sie also nicht sonderlich inspiriert?

In einem bin ich mir ziemlich sicher: Die CDU wird gewinnen, die SPD in der Opposition bleiben. Was ich hoffe ist, daß genug Grüne ins Parlament kommen werden, weil sie meiner Meinung nach die einzigen sind, die der jungen Generation eine Stimme geben können. Interview: Andrea Seibel