Gysi im aktiven Stasi-Einsatz?

Witwe Robert Havemanns legt neue Indizien für eine Stasi-Nähe des PDS-Politikers Gregor Gysi vor / Detallierter Bericht über Treffen der Havemanns mit Gysi in den Stasi-Unterlagen  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Neue Dokumente belasten den PDS-Politiker Gregor Gysi: Katja Havemann, Witwe des verstorbenen DDR-Regimekritikers Robert Havemann, fand bei der Sichtung der Stasi-Akte ihres Ehemannes jetzt Vermerke, aus denen nach ihren Worten „der aktive Einsatz Gregor Gysis“ gegen Havemann hervorgeht. Die neuen Stasi-Unterlagen, die Bürgerrechtlerin Havemann am vergangenen Montag in Kopie von der Gauck-Behörde erhalten hat, sind deshalb brisant, weil unter ihnen auch der Treffbericht eines „GMS Notar“ mit zwei Mitarbeitern der Stasi in einer konspirativen Wohnung am 7. April 1981 enthalten ist. „GMS“ nutzte die Stasi als Kürzel für „Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit“ – und hinter „Notar“ steht für Katja Havemann kein anderer als Gregor Gysi.

Zum einen schließt sie dies aus dem Umstand, daß ein in dem Vermerk beschriebenes Treffen zwischen Havemann und Gysi in ihrer Anwesenheit stattfand. Zum anderen würden in den Stasi-Akten vier weitere Dissidenten als Mandanten des „GMS Notar“ angeführt, und die habe Rechtsanwalt Gysi damals vertreten.

Gregor Gysi hat immer bestritten, Stasi-Kontakte unterhalten zu haben. Zuletzt hat am Mittwoch das Oberlandesgericht Hamburg ein Urteil bestätigt, wonach Bärbel Bohley Gysi nicht mehr „Stasi- Spitzel“ nennen darf.

Gysis Beteuerung, „in keinem Fall bin ich als Zuträger des MfS tätig geworden“, gerät ins Wanken, weil mit den neu aufgefunden Papieren erstmals ein vollständiger Bericht über eine Bespitzelung Havemanns aufgetaucht ist. In der Unterlage aus der Stasi-Hauptabteilung XX/9 wurde am 8. April 1981 festgehalten: „Mit ,Notar‘ wurde die Möglichkeit eines weiteren Besuches bei Robert Havemann beraten. (...) Die „Zielstellung des Besuches“, heißt es unter anderem, bestehe darin, „festzustellen, welche Meinung Robert Havemann zum bevorstehenden X. Parteitag der SED vertritt, damit im Zusammenhang geplante Aktivitäten in Erfahrung zu bringen. (...) Dabei soll ihn ,Notar‘ eindringlich beeinflussen, alle evtl. negativen Vorhaben zu unterlassen.“ Auch sollte „Notar“ ermitteln, „wie die familiäre Situation, besonders das derzeitige Verhältnis zur Ehefrau, und der Gesundheitszustand Havemanns einzuschätzen ist“. Als „nächster Treff“ hielt der Stasi-Major Lohr den 11. April 1981 fest.

Derselbe Stasi-Offizier fertigte dann einen Bericht mit der Quellenangabe: „GMS ,Notar‘ entgegengenommen Major Lohr, 11.4. 1981“. Überschrieben mit „Tonbandabschrift“ und „Besuch bei Robert Havemann“ wird darin detailliert über das Treffen des Anwalts Gysi mit seinem Mandanten Havemann berichtet. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin Spiegel bestätigte Katja Havemann: „So wie es in den Akten als Spitzelbericht steht, hat das Gespräch mit Gysi bei uns zu Hause auch stattgefunden.“ Gysi nannte gestern die neuen Vorwürfen „weder neu noch überraschend“. Er habe sich „mit Stasioffizieren nie in einer konspirativen Wohnung getrofffen“. Der Bericht über den Havemann-Besuch müsse über eine „Quelle“ zustande gekommen sein. Gysi weiter: Es habe sich „eine unheilige Allianz“ gebildet, „gegen meine Wahl und die Wahl der PDS in den Bundestag“.