Profifußballerisches Coming Out

■ Oliver Schweißing und der FC St. Pauli besiegen SG Wattenscheid mit 4:1

Als vor einigen Wochen über den Ausbau des Wilhelm-Koch-Stadions spekuliert wurde, war der Zeitpunkt ziemlich unpassend. Die Kicker des an dieser Spielstätte beheimateten Zweitligisten, FC St. Pauli, boten ebendort wenig Erkleckliches. So wenig, daß gegen Mannheim und Leipzig nur noch jeweils elftausend Menschen kamen. Dagegen standen Pläne für eine Neugestaltung und zukünftige Zuschauerkapazitäten: Von bis zu 30.000 Plätzen war die Rede, fast ein Drittel mehr als derzeit.

War das ganze damals fast schon Makulatur – was soll ein Regionalligist mit so einer Riesenhütte? – darf heute wieder verstohlen auf die Entwürfe geschielt werden. Dies ist nicht allein dem 4:1-Sieg gegen die SG Wattenscheid 09 am Freitag abend geschuldet, der vor der Saisonrekordkulisse von fast 17.000 Zuschauern gelang. Zwar beeindruckte die Elf von Trainer Uli Maslo beim ersten Heimsieg dieser Serie und zeigte bis dato nicht gekannte Spielrafinessen. Zwar konnte die Erfolgsserie auf ZDF-Weihnachtsdreiteiler-Länge plus Nachspielzeit gesteigert werden, auf siebeneinhalb Stunden und 8:2-Punkte also – der Grundstein zum Millerntor-Revival war jedoch bei den Auswärtsspielen in Düsseldorf und Saarbrücken gelegt worden.

Zweimal waren die Paulianer siegreich gewesen, doch keineswegs brillant, was dennoch langte, um wieder an sich selbst glauben zu können. So stand gegen Wattenscheid eine Mannschaft auf dem Platz, die erkannt hatte, daß auch daheim gewonnen werden kann (bislang nur vier Remis) und die dies auch wirklich wollte. Bei Anpfiff mittendrin und später obenauf: Oliver Schweißing.

Der 23jährige war schon bei den so erfolgreichen Gastspielen positiv aufgefallen und steckte gegen den Bundesliga-Absteiger den Mantel des biederen Mitläufers endgültig in den Altkleidersack. Das 1:0 von Martin Driller (7.) bereitete der Mittelfeldspieler, der vom SC Concordia gekommen war, vor. Das zweite nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Lesniak (23.) erzielte er zehn Minuten später selber. Auch sonst ackerte Schweißing – so viel, daß es nach gut einer Stunde nicht mehr ging und Jürgen Gronau kommen mußte.

Doch auch ohne den jungen Mann, der sein profifußballerisches Coming Out hinter sich gebracht hatte, kippte die Partie trotz drängender Gäste nicht. Im Gegenteil: Bernd Hollerbach mit einem herrlichen 18-Meter-Schuß nach prächtigem Solo (68.) und Juri Sawitschew (80.) komplettierten das Quartett. Vier Tore für ein größeres Stadion? Sehen wir es einmal so: Für einen Tabellensiebten in Liga zwo darf es ruhig ein kleines Schmuckkästchen sein. cleg