Sanfte Depressionen bei der SPD

■ Sozis nehmen Wahlschlappe gefaßt hin / Kritik am Kurs der eigenen Partei

99 rote Luftballons, Laugenbrezeln, schwachprozentiger Klosterwein und nur wenige Flaschen biederen deutschen Schaumweins: In der Hamburger SPD-Parteizentrale im Kurt-Schumacher-Haus stimmten gestern nicht nur um Punkt 18 Uhr Outfit und Stimmung perfekt zueinander. Niemand hatte so recht mit dem Wechsel gerechnet, niemand war denn auch so recht enttäuscht. Frustriertes Stimmengewirr vor der 18-Uhr-Prognose, dann kurzes Stillschweigen, kaum Oh-, kaum Ah-Rufe, dann wieder kollektives Gegrummel.

Mit leicht verkniffenen Mundwinkeln brachte SPD-Landeschef Jörg Kuhbier, durch die ersten Hochrechnungen kein bißchen fröhlicher gestimmt, die Atmosphäre auf den Punkt: „Ein paar Prozent zu unserem schlechten Bundestagswahlergebnis von 1990, das kann man nicht als Erfolg verkaufen. Ich bin enttäuscht, aber nicht entmutigt.“ Schuld gab Kuhbier auch der eigenen Partei. Nicht in der Auswahl des Spitzenkandidaten, hier hätte, so Kuhbier, auch ein Gerhard Schröder viele abgestoßen. Sondern in der mangelnden Profilierung: „Die SPD ist zur Mitte hin gedrückt worden. Dieser Spagat ist zu groß.“

Man könne nicht auf Betulichkeit setzen und im gleichen Atemzug die ökologische, soziale und politische Wende versprechen. Kuhbier forderte, die Partei müsse klarer Position beziehen.

Mit gedämpften Sarkasmus zogen sich die GenossInnen anschließend die ersten Hamburger Trends rein. Marliese Dobberthiens Vormarsch in Altona sorgte wenigstens für einige nach oben gewendete Mundwinkel, Wolfgang Curillas Pleite in Nord dann aber sogar für Gehässigkeit: „Jetzt haben wir ein Rechtsanwaltsbüro in Hamburg mehr.“

Dann fand endlich einer den Trost: „Im Bundesrat haben wir die Zwei-Drittel-Mehrheit, nur die Südstaaten Sachsen und Bayern sind noch richtig schwarz“ –also doch Große Koalition, aber auf Umwegen.

Florian Marten