Kein Jubel auf Bremer Wahlparties

■ Gedämpfte Stimmung bei CDU, SPD, FDP, Grünen und PDS / Ampel wieder im Gespräch

Zum Sektkorkenknallen war auf den Wahlparties der Bremer Parteien gestern niemandem zumute. Noch nicht einmal im Cinema-Café, wo die kleine Bremer PDS-Anhängerschaft den ostdeutschen Erfolg ihrer Partei feierte, spritzte der Sekt.

SPD

Der einzige Bremer SPD-Direktkandidat, der seinen Sieg im Wahlkreis noch nicht in der Tasche hatte, zeigte sich schon nach der ersten Hochrechnung erleichtert. Volker Kröning, der im Bremer Osten gegen Bernd Neumann (CDU) und Marieluise Beck (Grüne) kandidiert hat, wußte, daß es für ihn auch ohne Direktmandat auf jeden Fall über die Landesliste für den Platz in Bonn reichen würde. Im Bürgerhaus Weserterrassen teilte er seine verhaltene Freude mit knapp 100 GenossInnen des Bremer Ostens.

Die nahmen die ersten Hochrechnungen weitgehend stumm zur Kenntnis. Lediglich ein einsames „Geil!“ war aus unbekannter Richtung zu hören, als das PDS-Ergebnis mit 4,1 Prozent bekanntgegeben wurde.

In Bonn freut sich Volker Kröning nun „auf zwei Jahre Instabilität“. Denn angesichts der „deutlich geschwächten Mehrheit der CDU-FDP-Koalition“ seien spannende Debatten zu erwarten. Eine große Koalition sah Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier gestern abend dabei allerdings nicht dämmern: „In unserer Partei wäre das wirklich nur durchsetzbar, wenn überhaupt nichts anderes mehr geht.“ Und davor gebe es schließlich immer noch die Ampel-Koalition nach Bremer Vorbild, „eine Chance, aber ich glaube nicht, daß die in Bonn das hinkriegen“.

FDP

Daran glaubte auch ein paar Straßen weiter in der FDP-Zentrale in der Elsasser Straße niemand. Mit Erleichterung, aber auch ohne Jubel nahmen die dort versammelten zwei Dutzend Bremer Liberale die ersten Hochrechnungen auf. Ihre Partei ist wieder drin, aber ihr Kandidat, der FDP-Landesvorsitzende Manfred Richter, ist aller Wahrscheinlichkeit nach draußen. Zu groß ist der Verlust an Bonner Mandaten, als daß es für ein Mandat aus dem kleinen Bremen in der stark geschrumpften Bundestagsfraktion noch reichen würde.

Selber erschienen war er an diesem Abend in seiner Parteizentrale allerdings nicht. Auch die Bremer Senatoren fehlten auf der Partei-Party. Prominentester Fernsehgucker in der Elsasser Straße: Claus Wolff-Pfisterer, stellvertretender FDP-Landesvorsitzender. „Man kann nach diesem Ergebnis überhaupt noch nicht sagen, daß die FDP in der nächsten Bundesregierung vertreten sein wird“, sagte er. Und dann rang er sich doch noch den Satz ab: „Wir freuen uns über das Wahlergebnis.“

CDU

„Pscht, jetzt seid doch mal still.“ In den niedrigen Büroräumen der Bremer CDU-Zentrale plaudert und tratscht es, daß der Fernseher nicht mehr durchdringt. Rund hundert überwiegend junge CDU-WählerInnen, meist mit Krawatte um den Hals bzw. Samtschleife im Haar, haben sich versammelt. „Pscht, die erste Hochrechnung.“ Nur noch die Gesichter der Altvorderen lächeln jetzt von den Plakaten herunter. Endlich Stille. „CDU: 41,7 Prozent“, sagt der Fernsehmoderator. „Uuuh“, hallt es ihm entgegen. Daß es knapp wird, haben sie gedacht, aber so knapp!

„Aber das bleibt doch nicht so“, begütigt der Beiratssprecher Mitte, Schreiber, zwei Damen mit hochroten Wangen. Und auch die 22jährige Sprachheilpädagogik-Studentin und der 25jährige Schiffsmakler nehmen wieder erfolgsgewiß einen großen Schluck Bier bzw. Weißwein. Zwei Minuten später ist alles wieder am Plaudern. Neue Gäste kommen die Treppe hochgestürmt, müssen begrüßt werden. Die zwei Sicherheitsleute vor der Tür zünden sich in der Kälte erstmal eine Zigarette an.

Grüne

Bei den Grünen im „Modernes“ stehen keine Wachposten vor der Tür, dafür diverse Kinderwägen. Hier sind auch nicht die rund 200 WahlfetenbesucherInnen laut, hier verbreitet nur die Discomusik lärmende Fröhlichkeit. Am meisten fuchst die Leute der Erfolg der FDP. 18.40 Uhr, die Musik wird abgedreht, auf der Kinoleinwand die nächste Hochrechnung: etwas mehr als sieben Prozent für die Grünen. Jubel kommt keiner auf.

Ralf Fücks tritt auf der dunklen Bühne ans Mikrophon: „Danke, daß Ihr uns heute abend nicht alleine gelassen habt. Es sieht ja nicht so aus, als würde es das große Freudenfest. Trotzdem sind wir sehr erleichtert, daß wir wieder in den Bundestag einziehen.“ Die Grünen würden nun im Bundestag das tun, was sie am besten gelernt hätten, kündigt Fücks an: heftig opponieren. „Bißchen müde, der Fücks, nicht gerade brilliant“, befindet ein junger SPD-Wähler. Sein Freundeskreis wählt mehrheitlich grün, deswegen ist er hier. Das Wahlergebnis wird ihn ein Essen beim Griechen kosten: Er hatte gewettet, daß die FDP es nicht mehr schafft. „Alles Sympathiestimmen“, sagt sein Freund und sinkt noch ein bißchen tiefer in seinen Wollpullover.

PDS

Selbst bei der Bremer PDS mochte noch kein rechter Jubel aufkommen. Zu früh am Abend sei es, sagte Klaus-Werner Rupp, der auf Platz vier der Landesliste kandidiert hatte, um halb acht. Gleichzeitig hatte er sich um ein Direktmandat bemüht. „Im Bremer Westen, glaub ich.“ Rund 150 AnhängerInnen zitterten im Cinema-Café für den Einzug der PDS in den Bundestag. „Nicht richtig zufrieden, nicht enttäuscht“ sei die Stimmung, sagte Rupp. „Wir hatten uns mehr erhofft.“ Die AktivistInnen hatten insgeheim doch noch mit dem Sprung über die fünf-Prozent -Hürde gerechnet. „Aber es hat ja eine unheimlich hohe Wahlöbeteiligung gegeben, die hat unser Ergebnis auch noch beeinflußt. Außerdem hat es in den letzten beiden Wochen reichlich versuche gegeben, die PDS draußenzuhalten.“

Ase/cis/J.G.