Alles nur, um die Sozis zu ärgern

■ Da kam beste Stimmung in Ostberlin auf: Vier Direktmandate für die PDS

Kurz nach fünf Uhr kapitulierte Wahlkampfleiter André Brie vor seinem Volk. Hunderte PDS-Fans, die ohne Eintrittskarte vor der Kongreßhalle am Alexanderplatz warteten, drängten hinein zur Wahlparty der bunten Truppe. Proppenvoll waren die Gänge und Treppen, im Saal heizte die Renft- Kombo ein, die zu DDR-Zeiten nur heimlich rocken durfte. Da groovten die jungen Socken, die die Mehrzahl der Teilnehmer ausmachten, und die älteren PDSler staunten zum Lärm.

Als pünktlich um 18 Uhr die Prognosen kamen, hielten alle still: Vier Prozent für die PDS. Nun mußte gehofft werden auf die Direktmandate. Und die ließen nicht auf sich warten. Fünf Minuten nach sechs war bereits klar: Drei Direktkandidaten der PDS haben laut erster Prognose ihren Wahlkreis gewonnen – alle in Berlin.

Der Saalboden bebte von trampelnden Füßen, als Christa Luft erschien, die in Berlin-Lichtenberg/ Friedrichshain erfolgreich war. „Ich kann meine Gefühle nicht ausdrücken. Ich danke euch allen“, schrie sie in den ohrenbetäubenden Applaus hinein. Manfred Müller hatte mehr Spucke: Der Wessi- Gewerkschaftler gewann in Berlin-Hohenschönhausen und fand, er allein sei schuld daran: „Das habe ich selbst geschafft, ich habe die Gräben zwischen Ost und West aufgebrochen. Die Gräben verlaufen nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen oben und unten.“ Wie gern hätte sich der Mann mit der roten Nelke noch weiter selbst gelobt, doch die Fans brüllten ihn nieder. Stefan Heym war per Videoleinwand zugeschaltet: „Die PDS hat sich bravourös geschlagen, unabhängig von meinem persönlichen Ergebnis.“ Anders als bei Gregor Gysi, der laut erster Prognose in Berlin-Marzahn gewonnen hat, stand das Ergebnis von Heym gegen den SPD-Vize Wolfgang Thierse noch nicht fest. Heym spottete: „Die gemeinsame Front gegen die Linke hat nicht geklappt. In der DDR hat man nach der Wahl manipuliert, hier passiert es schon vorher.“ Doch eine Stunde später war klar: Auch Heym sitzt im nächsten Bundestag. In Bonn wird man sich als erstes rächen an der SPD. „Rudolf Scharping wird sich gefallen lassen müssen, daß die PDS ihn bei der Bundeskanzlerwahl unterstützt“, feixte Heym. Der Saal tobte. Schließlich hat man genau dafür die PDS gewählt: um die anderen zu ärgern.

Hinter der Bühne verzweifelte ein anderer. Der genervte Gregor Gysi, für jeweils eineinhalb Minuten vor die Kameras verschleppt, kämpfte in den letzten Zügen liegend um ein Lächeln. Verzweifelt versuchte hinter der Kamera sein Pressesprecher Hanno Harnisch, ihn mit Faxen aufzumuntern. Umsonst. Nur wenn das Wahlvolk sich nähert, erinnert sich der kleine Anwalt im zerknitterten Anzug seiner Mission: Für dessen Wünsche, auch wenn es nur Autogramme sind, nimmt er sich länger Zeit als neunzig Sekunden. Michaela Schießl