Gibt's jetzt Neuwahlen?

■ Umfrage bei CDU, SPD, FDP, Grünen

taz: Kommen nun Neuwahlen auf uns zu?

Günter Niederbremer (CDU): Wir werden sehen, ob die Ampelkoalition sich in den Haushaltsberatungen einigt. Das wird dann die Nagelprobe sein – ganz unabhängig vom Bundestags-Wahlergebnis.

Wäre es für die CDU im Moment ein günstiger Augenblick?

Wir haben uns darauf eingerichtet, bis zum Ende der Legislaturperiode in der Opposition zu bleiben. Trotzdem ist uns jeder vorgezogene Wahltermin genauso recht.

Wenn es zur Nagelprobe über die Auflösung der Bürgerschaft kommen würde, wären Sie dabei?

Das glaube ich. Wir hätten die Verfassungsänderung ja gerne schon vorher gehabt.

Nun ist das Wahlergebnis für die CDU aber mager ausgefallen.

Nein, wir haben doch in Bremen im Vergleich zu 1990 besser abgeschnitten als die CDU insgesamt. Und in Bremen sind die 30 Prozent ein wichtiges Signal.

Eine Mehrheit in der Bürgerschaft ist damit aber nicht zu haben.

Eine Bremer Wahl hat doch andere Themen zum Gegenstand. Letztes Mal hatten wir acht Prozent Abstand zur SPD, und da haben wir eine realistische Chance, heranzukommen.

Gibt es jetzt Neuwahlen in Bremen?

Axel Adamietz (FDP): Rechtliches mag es diese Möglichkeit nach dem Volksentscheid ja geben. Aber was soll politisch da Neues herauskommen? Das Bundestagswahlergebnis ist doch nicht einfach auf die Länder zu übertragen. Und deswegen wäre es ein Trugschluß zu meinen, dieses Ergebnis hätte für Bremen eine aktuelle, konkrete Signalwirkung.

Und die hat es auch für die FDP nicht?

Nicht im Sinne von Neuwahlen, aber eine politische Signalwirkung natürlich schon. Die FDP muß jetzt ihre Existenzberechtigung unter Beweis stellen.

Gilt das auch für die Bremer FDP in der Ampel-Koalition?

Die Bremer FDP ist besser als der Ruf der FDP. Aber wir stehen mit im Bundestrend. Und von daher haben wir die Aufgabe, das Reformpotential, das wir als Liberale darstellen, zu aktualisieren.

Gibt es noch Hoffnung für die FDP, im nächsten Senat vertreten zu sein?

Das ist eine Frage des Wählerauftrages. Aber daß die Bremer FDP nicht zu knapp in der nächsten Bürgerschaft vertreten sein wird, davon bin ich fest überzeugt. Dazu werden wir alles tun.

Das heißt auch alles ändern.

Nicht alles ändern, aber einiges.

Auch personell?

Das ist wie bei Koalitionsverhandlungen. Erstmal muß Sachprogrammatik geklärt werden. Und irgendwann muß sich das auch in Personen niederschlagen.

Bekommen wir jetzt bald Neuwahlen in Bremen?

Dieter Mützelburg (Grüne): Das Bundestagswahlergebnis bedeutet zuallererst, daß wir nicht spekulieren, was in einem Jahr ist. Wir haben im Frühjahr schon einmal gelernt, was es heißt, wenn man sich frühzeitig für den Sieger hält.

Also keine Neuwahlen?

Ich sehe im Moment keinen Anlaß dazu.

Der kann ja bei den Haushaltsberatungen ganz schnell geschaffen werden.

Ich glaube nicht, daß man wegen 20 Millionen eine Neuwahl startet. Da muß es schon größere Konflikte geben.

Und die sind zur Zeit nicht im Busch?

Was im Busch ist, weiß ich nicht. Ich gucke nicht in die Schubladen von Herrn Jäger oder Herrn Wedemeier. Aber ich habe davon noch nichts gehört, daß im Moment jemand eine große Konfliktstrategie im Auge hat.

Aber wäre Ihnen nicht Rot-Grün lieber als diese Ampel?

Natürlich. Das war mir vor vier Jahren lieber und wäre es auch heute.

Und jetzt gibt es doch die Chance, da bald hinzukommen.

Ich denke, auch nach der Volksabstimmung über die Verfassungsänderung löst man ein Parlament nur dann auf, wenn es wirklich einen gravierenden Grund dafür gibt, und nicht, weil man aufgrund eines Wahlergebnisses glaubt, es sei der optimale Zeitpunkt. Das geht ins Auge.

Woran liegt es, daß die Grünen jetzt in Freiburg, Frankfurt, Köln und Dortmund bessere Ergebnisse haben, als in Bremen?

Ich kann nur vermuten, daß das erstens etwas mit unserer Regierungsbeteiligung und zweitens damit zu tun hat, daß die PDS in Bremen ihr bestes Ergebnis in Westdeutschland hat.

Warum kann die PDS in Bremen so sehr im grünen Klientel wildern?

Bremen ist die einzige Stadt, in der es schon seit vielen Jahren in der gleichen sozialen Schichtung, die die Grünen erfaßt, oppositionelle Strömungen links von den Grünen gab – die BAL, die Alternative Liste.

Liegt das nicht auch daran, daß es bei den Bremer Grünen keine Fundis gibt?

Es ist eher ein Ausdruck davon, daß es in Bremen viele Leute gibt, die schon seit den Tagen der DKP sozialistischen Vorstellungen nachhängen, die sich eigentlich spätestens mit der Wiedervereinigung erledigt haben.

Gibt es bald Neuwahlen in Bremen?

Claus Dittbrenner (SPD): Warum?

Weil es jetzt möglich ist und es sich für Rot-grün lohnen würde.

Man darf nun nicht den Fehler machen, das Bundestagswahlergebnis direkt auf Bremen zu übertragen.

Das hat Klaus Wedemeier getan und davon gesprochen, die Bremer SPD stünde nun wieder in guten Schuhen da.

Unsere Ausgangsbedingungen für das nächste Jahr sind ja auch nicht schlecht. Aber die Ampel hat einen Auftrag für vier Jahre, und den arbeiten wir ab. Daß die Bremer SPD wieder an Deck ist, bedeutet noch nicht, daß wir jetzt einen Freibrief haben.

Glauben Sie, daß die Koalition mit der FDP bis zum Ende hält?

Das ist eine Frage, die Sie der FDP stellen müssen.

Fragen: Dirk Asendorpf