Nur die SPD überwindet die politische Mauer

Alle anderen Parteien haben ihre Wähler vor allem in einer Stadthälfte / Gysi verbessert Ergebnis um 17 Prozent / SPD gewinnt zwei Direktmandate von der CDU, verliert aber drei an die PDS / Sozialhilfeempfänger wählten kaum die PDS  ■ Von Dirk Wildt

Die SPD in Berlin ist mit 34 Prozent bei den Bundestagswahlen nicht nur stärkste Partei geworden. Sie schaffte auch als einzige, in etwa gleich viele Wähler in beiden Hälften der Stadt zu mobilisieren. Im Westteil bekamen die Sozialdemokraten 34,6 Prozent und im Ostteil 33,1 Prozent der Stimmen. Die PDS (gesamt 14,8 Prozent) bleibt faktisch eine reine Ost- und die FDP (5,2 Prozent) reine Westpartei. Die „bunte Truppe“ von Gregor Gysi holte im ehemaligen Westberlin nur 2,6 Prozent und die FDP in der ehemaligen Hauptstadt der DDR nur 1,9 Prozent der Stimmen. Auch für CDU-Wähler scheint der „Todesstreifen“ auf dem Gebiet der Berliner Wahlkreise nur schwer überwindbar zu sein. Im Westen machten 38,7 Prozent der Wähler das Kreuz bei der Union, im Osten nur 19,5 Prozent. Bündnis 90/ Die Grünen (10,2 Prozent) – immerhin eine Vereinigung von Alternativer Liste und Bürgerbewegung – schafft in Ostberlin zwar mit 6,9 Prozent den Sprung über die Fünfprozenthürde, hütet mit 12,3 Prozent ihr Wählerpotential aber ebenfalls im Westen.

In Berlin gibt es bei CDU und PDS große Abweichungen zum Bundesergebnis. Im Vergleich mit der Bundes-CDU schneidet die Landespartei um 10 Prozent schlechter ab, die PDS wiederum liegt um 10,4 Prozent höher als im Bundesschnitt. Als einziger Partei gelang es der SPD im Vergleich zu allen vergangenen vier Wahlen seit Mauerfall – Bundestagswahl und Abgeordnetenhauswahl 1990, Bezirkswahlen 1992 und Europawahlen 1994 – Stimmen zu gewinnen. Die CDU mußte dagegen starke Verluste hinnehmen.

Die Spree-Union erkämpfte sich mit sechs allerdings die höchste Zahl an Direktmandaten. Im Vergleich zur Bundestagswahl vor vier Jahren mußte sie von den damligen acht aber zwei an die SPD abgeben, die Sozialdemokraten verlieren in Ostberlin wiederum drei Mandate an die PDS. Der CDU konnte bei den Erststimmen den Wahlkreis Spandau nur knapp halten. Direktkandidat Heinrich Lummer bekommt ein Mandat mit einem halben Prozent Vorsprung (400 Stimmen) vor seinem Konkurrenten von der SPD, Wolfgang Behrendt. Das relativ beste Ergebnis aller Direktkandidaten erhielt in Tempelhof Rupert Scholz von der CDU mit mehr als 51 Prozent der gültigen Stimmen. Er erreichte als einziger Kandidat die absolute Mehrheit. An seine Fersen heftete sich Gregor Gysi, der mit 48,9 Prozent der Stimmen in Hellersdorf/Marzahn das zweitbeste Ergebnis erhielt. Gysi steigerte sein Ergebnis von 1990 um 17 Prozent.

Die CDU verlor mit ihren Direktmandaten bei den Erststimmen sieben Prozent. SPD (plus zwei Prozent), PDS (plus sieben Prozent) und Grüne (plus vier Prozent) verbesserten ihre 90er Ergebnisse zum Teil erheblich. Bei den Zweitstimmen, die die Stärke der im Bundestag vertretenen Parteien festlegen, konnte die SPD traditionelle Hochburgen in Kreuzberg, Tiergarten, Wedding und Schöneberg zurückgewinnen. War die CDU 1990 nur in zwei Westberliner Bezirken unter 40 Prozent geblieben, verfehlte sie diese Marke jetzt in sieben der zwölf Bezirke. Die Grünen schnitten überproportional stark in Kreuzberg (26,3 Prozent), Schöneberg (20,5 Prozent) und Tiergarten (19,5 Prozent) ab. Die FDP kam mit ihren Wahlslogans nur in den Bezirken der Besserverdienenden, Zehlendorf und Wilmersdorf, gut an – nämlich mit über 10 Prozent.

Im Ostteil kam die SPD bis auf Mitte in allen Bezirken auf über 30 Prozent, die CDU blieb überall unter 25 Prozent und die Grünen blieben bis auf Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Mitte unter neun Prozent. Die PDS erreichte in zwei Stimmbezirken in Treptow und Lichtenberg über 80 Prozent. Sie zählt nicht als Partei der „Einheitsverlierer“. In den acht Wahlkreisen mit einem hohen Anteil an Erwerbslosen und Sozialhilfeempfängern bekam sie weniger Stimmen als in Gebieten mit einem mittleren Anteil. SPD und Grüne haben im Vergleich zu CDU, FDP und PDS unter ihren Wählern den höchsten Anteil an Sozialschwachen und Arbeitslosen.