Keine Funzel am Ende des Tunnels Von Mathias Bröckers

Der Riese wankt, aber er fiel nicht. Um 18.20 Uhr, nach der ersten Hochrechnung, war's endgültig vorbei mit der Stimmung auf unserer Wahlparty: Blöde Grüne strahlen über die sieben Prozent, dumpfe PDSler jubilieren, „daß sich der Kampf gelohnt hat“ – aber ändern wird sich rein gar nichts. Weitere bleierne Kohl-Jahre stehen ins Haus: Stumpfsinn und Weiterwursteln auf höchster Ebene. Kein Licht, nicht einmal die Funzel Scharping, am Ende des Tunnels, kein Reförmchen, kein Hauch von Veränderung, geschweige denn eine radikale Abkehr vom destruktiven, katastrophischen Kurs der herrschenden Politik. Grauenhaft diese gutgelaunten SPD-Größen, die sich bei den Wählern für das „hervorragende Ergebnis“ bedanken: „An der SPD“, so der Parteichef Scharping, „kommt im Prinzip keiner mehr vorbei.“ In der Realität schert sich Kohl einen Dreck um dieses „Prinzip“, regiert einfach weiter. Business as usual – eine Handvoll Stimmen reicht allemal aus, um die Katastrophen-Koalition auszusitzen.

Daß Politiker am Wahlabend selbst debakulöse Ergebnisse frohreden, ist eine bekannte Tatsache – so penetrant gutgelaunt wie nach dieser Wahl aber ging es noch nie zu. Von links bis rechts allenthalben ausgelassene Partystimmung, und der nach Punkten größte Verlierer überhaupt, die FDP, hat den allergrößten Grund zur Freude. Die Kalkleiste Kinkel darf zwar weiter Fiesekanzler mimen, aber zu melden haben die Liberalen weniger als jemals zuvor – die CSU ist mit 7,2 Prozent drittstärkste Kraft in Bonn. Dank dieser suffseligen Gasfußfraktion wird's nicht einmal eine so simple und selbstverständliche Reform wie die Senkung der Promillegrenze geben, jede Form ökologischer Verkehrspolitik bleibt vier weitere Jahre ein frommer Wunsch. So wie jede Wende auf anderen Gebieten auch. Wie kann man sich da als Sozialdemokrat oder Grüner in die Elefantenrunde hocken und „hoch zufrieden mit diesem Ergebnis“ sein? Der Wechsel ist geplatzt, und Kohl regiert weiter – den Roten und Grünen bleibt nichts als ein bißchen Stänkern auf der Reservebank. Sowie die stille Hoffnung, daß die FDP irgendwann mal wieder umkippt und Kohl die Legislaturperiode nicht übersteht. Trübe Aussichten für einen Wechsel in der Politik, in diesem Jahrtausend wird es wohl nichts mehr werden mit sozialer und ökologischer Erneuerung. Selbst wenn die Zitter-Koalition die nächsten vier Jahre nicht durchsteht: Reformen greifen nicht von heute auf morgen, wenn bis zum Ende des Jahrzehnts noch etwas hätte passieren sollen in Deutschland, wäre der Wechsel jetzt fällig gewesen. Die Chance ist vertan – und die klammheimliche Freude, daß ausgerechnet eine rote Socke wie Stefan Heym als Alterspräsident die erste Bundestagssitzung eröffnen darf, kann darüber nicht hinwegtrösten. Kläffer und Wadenbeißer haben sich schon acht Jahre an Kohl gewetzt, ohne daß es ihn juckte; jetzt dürfen sie halt ein bißchen lauter werden. Na und?

Dann, spät in der Wahlnacht doch noch ein erlösender Gedanken: Damit es besser werden kann, muß es einfach noch ein bißchen schlechter werden. Die Karre sitzt einfach noch nicht tief genug im Dreck, und Rekordnationalerkanzlerspieler Kohl ist der Garant, daß es weiter in die richtige Richtung geht. Alles wird gut.