Gegen männliche Meinungsführer

■ Unter dem Motto „Demokratie und Differenz“ plädierten Feministinnen in Berlin für mehr Einmischung in die Politik

Berlin (taz) – Die deutsche Frauenbewegung ist verstummt. Obwohl sich die gesellschaftlichen Verhältnisse seit dem Mauerfall in rasanter Weise verändern, findet sie bislang ihre Sprache nicht wieder. Sie zettelt keine Debatten an, mischt sich nicht ein, nimmt keine feministischen Kurskorrekturen mehr vor. Diese „Hinnahme der männlichen Meinungsführerschaft im gesellschaftlichen Umbruchprozeß“ ist Dörthe Jung ein Dorn im Auge. Deshalb organisierte die Frankfurter Politikberaterin in Zusammenarbeit mit der grünennahen Frauenanstiftung am letzten Wochenende in Berlin den Kongreß „Demokratie und Differenz“.

Ziel des Kongresses war es, die feministische Politik und ihre Strategien zu überprüfen. Gesucht wurde nach neuen Orientierungen, die der Komplexität gesellschaftlicher Problemlagen gerecht werden. Denn heute kann nicht mehr allein die Geschlechterfrage ausschlaggebend sein. Schließlich geht es längst darum, neue Bündnisse zu schließen, Bündnisse, die die Differenz unter Frauen, aber auch die sozialen Ungleichheiten mitdenken. Daß dieser Ansatz auch ein Anliegen vieler, vor allem jüngerer Frauen ist, bewiesen die rund 300 Kongreßteilnehmerinnen, die nach Berlin kamen.

Ein Plädoyer für mehr Einmischung hielt auch Beate Rössler, Mitarbeiterin am Philosophischen Institut der Freien Universität Berlin. Sie rief Frauen dazu auf, künftig verstärkt und aktiv in politischen Parteien mitzuarbeiten. Nur so könnten im öffentlichen Raum die Interessen von Frauen durchgesetzt werden.

Rose Brewer und Lisa Albrecht, beide Mitarbeiterinnen der University of Minneapolis in Minnesota, plädierten für Bündnisse zwischen Frauen unterschiedlicher Rasse, Klasse, Ethnie oder sexueller Orientierung, auch auf internationaler Ebene. Vorsicht sei bei solchen Bündnissen allerdings geboten. Denn nur allzuoft, das zeigen die US-Erfahrungen, üben Frauen unter sich erneut Herrschaft aus. Solche bestehenden Machtverhältnisse gilt es aufzudecken. Frauen müßten, so Brewer und Albrecht, in ihrer Interaktion neue politische Formen und Sprachen finden. Sedef Gümen von der Universität Osnabrück brachte das auf den Nenner: „Wo die Unterschiede politisiert werden, da ist auch die Basis für Gleichheit zu finden.“

Neue feministische Bündnisse, Demokratie und die Zivilgesellschaft Deutschlands standen im Mittelpunkt der vielfältigen Diskussionen in Berlin. Das Fazit: Vor allem aufgrund der Ausdifferenzierung der Frauenbewegung ist die politische Einmischung von Feministinnen aus dem öffentlichen Raum nahezu verschwunden. Deshalb gilt es, erneut feministische Strategien zu entwickeln, die sich gegen Herrschaft und ihre Bedingungen richten.

Doch gerade diese Strategien kamen in Berlin zu kurz. Einig war frau sich lediglich, daß eine demokratische Reform des StaatsbürgerInnenrechts unerläßlich sei. Das völkische Staatsverständnis, mit dem ImmigrantInnen als Fremde ausgegrenzt werden, müsse abgeschafft werden, hieß es in einer Resolution, die am Sonntag verabschiedet wurde. Denn nur mit der rechtlichen Anerkennung von AusländerInnen als deutsche StaatsbürgerInnen ist eine politische Partizipation und damit die Mitgestaltung der deutschen Demokratie möglich. Mechtild Jansen