Jetzt den Eros der Macht entdecken

■ Waltraud Schoppe (Grüne) zur Unauffälligkeit der Parlamentarierinnen

taz: Im Wahlkmpf wurden uns überwiegend Männer präsentiert, und auch in der Elefantenrunde waren die Herren unter sich. Haben sich die Frauen aus der Parteipolitik verabschiedet?

Waltraud Schoppe: Offenbar glaubt man, wenn man ein paar große Männer aufstellt, laufen die Leute einem schon nach. Daß das nicht ganz falsch ist, hat die Wahl ergeben. Ich finde das unglaublich, daß die Frauen aus den betroffenen Parteien sich das gefallen lassen. Ich glaube, daß in den traditionellen Parteien die Frauenfrage immer nur taktisch benutzt wird. Für feministische Politik gibt es dort keine wirkliche Lobby.

Warum sind Politikerinnen so wenig präsent?

Einerseits stürzen sich die meist männlichen Pressekorrespondenten lieber auf Männer, um eine Auskunft zu bekommen. Andererseits gehen Frauen auch von sich aus viel weniger in die Öffentlichkeit, weil sie immer glauben, es müsse schon was ganz Besonderes sein, ehe sie sich öffentlich zu Worte melden. Die Männer dagegen setzen sich mit jeder kleinsten Aussage in Szene.

Liegt es auch daran, daß sich Frauen eher auf Sachthemen als auf Machtpolitik konzentrieren?

Ja, das kenne ich auch von mir selber. Dieses erotische Verhältnis zur Macht, das Männer oft haben, geht mir völlig ab. Was ich übrigens nicht richtig finde. Weil die Frauen mehr an Sachthemen orientiert sind, glauben sie, daß sie sich mit einer sorgfältigen Bearbeitung ihres Themas durchsetzen können. Sie sehen gar nicht, daß es nicht nur darum geht, daß man sorgfältig gearbeitet hat, sondern auch darum, im Hintergrund machtvolle Gruppen hinter sich zu bringen.

Wo sollten sich Frauen stärker einmischen?

Ich denke, daß viele Feministinnen derzeit den Anschluß verpaßt haben. Wir haben in unseren Konzepten die gesellschaftlichen Veränderungen einfach nicht aufgenommen. Das müssen wir ändern. Die Frauen müssen in alle Politikfelder rein mit einem feministischen Blick rein. Sie müssen in den Haushaltsausschuß, in den Verteidigungsausschuß, in den Wirtschaftsausschuß, um zu gucken, wie sich Maßnahmen auf die Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen auswirken.

Besteht da nicht die Gefahr, daß alle sagen: „Jetzt kommt die wieder mit ihrem Nebenwiderspruch.“?

Das ist meine Erfahrung, solange ich Frauenpolitik mache. Auch in Niedersachsen war das sehr deutlich zu spüren, wie ich den Leuten mit meinen Frauenaspekten auf die Nerven gegangen bin. Da führt aber kein Weg dran vorbei. Interview: Sonja Schock