„Schon mit 13 wollte ich Konzertmeisterin werden“

■ Anette Behr-König, zeigt sich kaum erstaunt über den Einbruch in die Männerdomäne Staatsorchester

Ab dieser Spielzeit ist die 1964 geborene Anette Behr-König als Nachfolgerin von Franz Joseph Kupczyck die Konzertmeisterin des Philharmonischen Staatsorchesters. Vier Wochen nach ihrem „Amtsantritt“ führten wir mit ihr ein Gespräch.

taz: Frau Behr-König, was war denn ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, sich auf diese Stelle zu bewerben?

Anette Behr-König: Da gab es keine inhaltlichen Überlegungen. Ich war koordinierte erste Konzertmeisterin im Wiesbadener Staatsorchester. Mein Mann Ulrich König ist Oboist bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und da wir eine zweijährige Tochter haben, war die Familienzusammenführung einfach nötig. Aber ich wußte auch: viele Sinfoniekonzerte, das hat mich gereizt. Ich spiele unheimlich gerne auf dem Podium.

Was fällt Ihnen nach den ersten Wochen auf?

Ich will mich da aber zu früh nicht äußern. Die Koordination mit dem Theater klappt nicht richtig, im Grunde sind es zwei Betriebe. Manchmal proben wir zu viel, manchmal zu wenig, das ist ein so kompliziertes Geflecht, da kann man meckern, aber kaum was ändern.

(Anmerkung: Die privatrechtlich getragene Philharmonische Gesellschaft wird für den Opernspielplan an das Theater „ausgeliehen“. )

Ich sehe meine Aufagbe auch eher im künstlerischen Bereich an. Ich will da wirklich mein Bestes geben.

Seit Jahren ist die Generalmusikdirektorenstelle vakant, und nun muß durch die Absage von Markus Stenz wieder gesucht werden. Welche Mitsprache hat da eigentlich das Orchester und hat Ihre Stimme ein größeres Gewicht?

Das Mitspracherecht des Orchesters ist unwesentlich und meine Stimme ist nicht mehr als andere. Sie kann höchstens als Zünglein an der Waage eine besondere Rolle spielen. Aber meistens ist sich auch so ein Klangkörper, ohne lang darüber zu sprechen, einig. Man spürt das einfach, ob die Ausstrahlung stimmt. So ein Mann oder eine Frau muß so unglaublich viel können. Man merkt eben an dem Musikmachen sofort, ob das eine Persönlichkeit ist, und oft auch, ob das Menschliche stimmt.

Es ist noch immer ungewöhnlich, daß Frauen solche Positionen auch bekommen....

Sicher ist das ein generelles Problem, es gibt das schon, diese Pyramide. Für mich allerdings nicht, ich bin in einem Klima groß geworden, wo es völlig normal war, daß ich meine Leistung bringe und dann auch die entsprechende Stelle kriege. Ich habe da auch gar keine schlechten Erfahrungen gemacht. Seit ich dreizehn bin, saß ich im Landesjugendorchester am ersten Pult. Und in meiner Familie brauche ich noch nicht mal den Zipfel eines Gedankens daran zu verschwenden, für uns beide ist es absolut selbstverständlich, daß beide den Beruf machen und daß beide die Tochter versorgen. Ich gebe aber zu, daß wir natürlich mit unseren Berufen von der Einteilung und den Arbeitszeiten her sehr privilegiert sind.

Seit wann wissen Sie, daß Sie Geigerin werden wollen?

Ich war schon immer Geigerin als Schülerin, seit ich 13 bin, will ich Konzertmeisterin werden. Trotzdem war mir die Schule wichtig. Ich bin so dankbar für mein Abitur, das ist doch die Zeit, in der die persönliche Reife und die kulturelle Bildung entsteht. Wenn mann dann mit 15 angeblich hochbegabt auf Wettbewerben sich tummelt, das ist ja entsetzlich. Und gucken Sie sich doch um: was bleibt denn übrig von diesen Sternchen?

Welche Rolle spielt denn Ihr Elternhaus?

Meine Mutter mochte einfach Geige, und so hab' ich mit acht Jahren angefangen. Dann hat sie mir nur gesagt, ich muß mein Talent hüten. Ich bin sehr frei aufgewachsen, für mich war das so gut, keine profesionelle Musikfamilie zu haben, die dauernd beurteilt, was ich spiele. Das habe ich erst draußen in den Wettbewerben von Jugend musiziert erfahren, daß ich gut bin, daß alles eigentlich ganz leicht geht. Und deswegen haben mir persönlich diese fragwürdigen Wettbewerbe auch nicht geschadet. Aber was da sonst mit diesen armen Würmchen durch die Lehrer und Eltern veranstaltet wird.... Ich habe eigentlich nur Glück gehabt.

Und eine ausdrücklich solistische Karriere?

Ja, das hätte vielleicht noch aus mir werden können. Aber ich will das gar nicht, ich will mit Menschen zusammen spielen. Nein, ich muß das nicht haben, da alleine stehen, mir sind andere Dinge wichtiger. Mein Lieblingsstück ist das Violinkonzert von Alban Berg, es ist so wunderbar, so frisch für die Ohren. Vielleicht Sibelius, der ist so romatisch und so dick, daß er schon wieder gut ist.

Ihr Verhältnis zu Neuer Musik?

Ich habe im Augenblick gar keine Zeit, mein Leben läuft so, daß ich für mich Schwerpunkte setzen muß. Und die liegen im Augenblick eher in der alten Musik.

Ihre Träume?

Ich träume nicht. Das muß nicht sein. Ich muß mich vor allem nicht in Solokonzerten profilieren. Ich vertraue einfach allem: meiner Begabung, meiner schönen Stelle und meiner Familie.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze