Bauernlegen mit deutschem Geld

■ Chinesische Regierung plant gigantische Staudämme / 2,4 Milliarden Mark Hermes-Bürgschaft für deutsche Firmen / Weltbank finanziert Massenvertreibung / Wirtschaftlicher Nutzen unsicher

Berlin (taz) – Seit 3.500 Jahren, sagen Historiker, versuchen chinesische Beamte und Baumeister, den Lauf des Gelben Flusses zu regulieren. Ohne jeden Erfolg. Der längste Strom der Erde hat in dieser Zeit 26mal seinen Lauf verändert, über tausend Kilometer weit ist das Flußbett in der nordchinesischen Ebene gewandert. Deutsche Baufirmen, darunter Züblin, die Tochter des Walter-Konzerns in Augsburg, wollen sich jetzt am neusten Versuch beteiligen, den Gelben Fluß mit Staudämmen zu zähmen. Ein finanzielles Risiko möchten sie dabei allerdings nicht eingehen. Sie lassen sich das Geschäft mit 2,37 Milliarden Mark durch Hermes-Bürgschaften von der Bundesregierung versichern. Den Antrag für die Risikogarantie aus Steuermitteln hat das Finanzministerium dem Haushaltsausschuß des Bundestages bereits zugeleitet. Das neue Parlament muß sich erneut mit einem Streitfall der letzten Legislaturperiode befassen. Im April diesen Jahres hatte der damalige Ausschuß für Entwicklungshilfe den Antrag noch einstimmig abgelehnt. Auch die christdemokratischen Mitglieder bezweifelten den Segen des Projekts. Argumentationshilfe dürfte ihnen in diesem Fall das katholische Hilfswerk „Misereor“ geliefert haben, das den geplanten Staudamm ebenso verurteilt wie viele andere Umweltschutz- und Entwickungshilfegruppen. Die Bonner Informationsstelle „Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung“ schätzt, daß der Dammbau zur Zwangsumsiedlung von etwa 180.000 Bauern führen wird. Chinas Regierung hat Gigantisches vor. Der Damm von Xiaolangdi soll Wasser für die Landwirtschaft und Energie für Kraftwerke liefern, zugleich das Geschiebe an fruchtbarem Löß zurückbehalten und obendrein den Fluß schiffbar machen. Sechs weitere Dämme dieser Art sollen noch folgen, die Gesamtkosten werden auf 15 Milliarden Dollar geschätzt.

Ökologische und soziale Belange spielen keine Rolle, aber auch die wirtschaftlichen Vorteile sind kaum zu überprüfen. Dan Shear, Mitglied des Weltbank-Planungsteams für wasserwirtschaftliche Projekte, gab in einer Stellungnahme zu, daß aus der Volksrepublik keine zuverlässigen wirtschaftlichen Daten vorliegen. Manche Annahmen beruhten lediglich auf Computer-Rechnungen. Trotz dieser internen Bedenken hat die Weltbank am 12. April einen Kredit von über 600 Millionen Dollar für das Projekt bewilligt – für Entwicklungsgruppen ein weiterer Beweis dafür, daß die Weltbank nichts aus ihren Fehlschlägen gelernt hat.

Zwar sind die Kredite für die Umsiedlungskosten besonders günstig. Aber Heffa Schücking von der Gruppe „Urgewald“ befürchtet, daß die veranschlagte Summe viel zu niedrig kalkuliert ist. Die Weltbank rechnet damit, daß das kommunistische Regime jeden Widerstand unterdrücken wird. Heffa Schücking zitiert gegenüber der Nachrichtenagentur epd aus einem internen Weltbank-Papier: „Das Attraktive am gegenwärtigen System ist, daß es politisch und administrativ viel einfacher ist, Unternehmen, Haushalte und andere, die staatlichen Bauprojekten im Weg stehen, dazu zu bringen, einen Teil der Umsiedlungskosten selbst aufzubringen, anstatt vom Projekt die volle Übernahme der Kosten zu erwarten.“ Niklaus Hablützel