HSV schoß ins Leere

■ Trotz Druck auf Tränendrüse und Pathos: Der Sportplatz am Rothenbaum wird bebaut Von Clemens Gerlach

Der HSV hatte mobil gemacht: Zur öffentlichen Anhörung des Bezirksamts Eimsbüttel über die Zukunft des HSV-Sportplatzes am Rothenbaum war der Fan-Dachverband Supporter's Club informiert worden, und mit Präsident Ronald Wulff, seinem Vorgänger Jürgen Hunke und Manager Heribert Bruchhagen schickte der Bundesligist seine Spitzenfunktionäre zur Diskussion über die Änderung des Flächennutzungsplanes. Doch ebenso wie der Aufruf an die Anhänger – nur wenige Fans waren gekommen – gingen auch die Appelle der Vereins-Verantwortlichen in der Aula der Staatlichen Fremdsprachenschule am Mittelweg am Dienstagabend ins Leere.

Eines bleibt auch nach der zweistündigen, teilweise turbulenten Anhörung so gut wie sicher: Der Sportplatz wird bebaut – wie es der Senatsbeschluß vom Mai 1992 vorsieht. Laut Siegerentwurf des Berner Architektenbüros Atelier 5 im städtebaulichen Ideenwettbewerb sollen auf dem 2,2 Hektar großen Areal terrassenartig 220 Wohnungen (ein Drittel davon sozialer Wohnungsbau), eine Altenwohnanlage für 100 Menschen sowie als Lärmschutz entlang der Rothenbaumchaussee bis zu acht Stockwerke hoch Büros und Geschäfte entstehen.

Für eine „Instinktlosigkeit“ hält Wulff dieses Vorhaben. Der traditionsreiche Ort sei „das Herzstück des Vereins“, drückte der Präses auf die Tränendrüse. Man werde den Kampf gegen die „Vertreibung“ nicht aufgeben. Jede Menge Pathos im vorbereiteten Plädoyer Wulffs konnte nicht verdecken, daß der HSV keine stichhaltigen Argumente gegen die Bebauung vorbringen kann. Das gepachtete Gelände wurde nach dem Umzug der Bundesligamannschaft ins Volksparkstadion 1963 nur noch unzureichend genutzt (Regionalliga, A-Jugend und Frauen-Oberliga) und verfiel zunehmend. Im September mußte die marode Sitztribüne abgerissen werden.

Die Unterschriften-Aktion „Rettet den Rothenbaum“ kommt zu spät, denn der HSV hatte es schon vor Jahren versäumt, der Stadt einen längerfristigen Pachtvertrag abzuringen. Die größte Chance wurde 1983 vertan, als der HSV den Europacup gewann. Der damalige Bürgermeister von Dohnanyi hätte eingedenk der siegesduseligen Hamburger damals nur schwerlich ablehnen können.

Auf einem anderen Blatt standen die Bedenken der Anwohner in puncto zu dichte Bebauung, zunehmender Autoverkehr oder zu geringer Anteil an Sozialwohnungen. In der Tat läßt sich über den Schweizer Entwurf trefflich streiten, der nun von der Stadtplanungsabteilung überarbeitet und eventuell 1996 von der Bürgerschaft abge-segnet wird. Daß Wohnungen gebaut werden sollen, störte die meisten der rund 60 anwesenden Harvestehuder nicht. Über das Wie müsse jedoch noch verhandelt werden, so der Tenor. Sie sahen es trotz ihrer Proteste so wie Reinhard Buff, der Leiter der Stadtplanungsabteilung im Bezirksamt: „Wir haben in Hamburg nicht Wohnungsmangel, sondern Wohnungsnot.“