Keine Gerechtigkeit

■ Die Arbeitszeitregelung für LehrerInnen soll gründlich reformiert werden – und die Gewerkschaft ist gespalten

Da hat der Bildungssenator einen Sprengsatz in die Bremer Lehrerschaft gelegt. Henning Scherf hat mitten in den Sommerferien vorgeschlagen, die Lehrerarbeitszeit grundlegend zu reformieren. Statt der Berechnung eines Lehrdeputats nach dem 45-Minuten-Schulstundentakt sollte in Zukunft die ganz normale Arbeitszeit im Öffentlichen Dienst als Maßstab herangezogen werden. 38,5 Stunden pro Woche. Und danmit sollte sich nicht allen die Grundlage für den LehrerInnensold sondern außerdem noch die Organisation des Schulalltags komplett ändern. Weg vom Dreiviertelstundendiktat. Lehrer sein ist mehr als nur unterrichten, war die realistische Einschätzung der Schulbehörde.

Was die Lehrergewerkschaft schon immer gesagt hat. Nun ist aber gerade in der GEW der Streit um den Scherf-Vorschlag voll entbrannt. Auf der einen Seite steht ein Flügel, der im Vorstoß des Bildungssenators eine Chance sieht, die tatsächlichen Arbeitsbelastungen zu erfassen und dann zu einer de facto Stundenreduzierung für einzelne zu kommen. Aber vor allem sehen sie die Chance, nötige Reformen in den Schulen einzuleiten. Die andere Seite beschwört geradezu die Gefahren: So lange die Kürzungsbeschlüsse im Bildungsbereich gültig seien, so lange sei die Debatte um die Arbeitszeit nichts anderes als ein Versuch, die Verwaltung des Mangels den Schulen aufzubürden.

Nach den Vorstellungen der Behörde soll den Schulen ein festgelegtes Stundenkontingent zugewiesen werden, das sie nach den eigenen Erfordernissen einsetzen können. Das, so die Hoffnung sowohl der senatorischen Seite als auch der GEW-Optimismusfraktion, mache die Schulen viel flexibler. Das hofft auch Heiko Gosch, Mitglied im GEW-Landesvorstand, der schon vor einiger Zeit die gewerkschaftsinterne Debatte um die Lehrerarbeitszeit eröffnet hatte: „Wir müssen die Spielräume an der Schulen erhöhen.“ Das starre Unterrichtsraster sei mit der Realität ziemlich überfordert. Das könnte mit einer anderen Arbeitszeitverteilung aufgeknackt werden.

Das sieht der GEW-Landesvorsitzende Jan Bücking ganz anders. Er ist Wortführer der gewerkschftlich organisierten Pessimisten. Daß die Verhältnisse an den Schulen besser werden könnten, das traut er der Behörde angesichts der Sparzwänge nicht zu. Daß das starre Unterrichtsraster an den Schulen aufgegeben werden muß, das sieht allerdings auch er. Aber das gehe auch ohne Änderung des Arbeitszeitmodells: „Es ist genauso denkbar, das starre System im bestehenden Rahmen zu überwinden.“

Für Ende September hatte die Gewerkschaft zu einem Arbeitszeitkongreß geladen. Gut 70 LehrerInnen waren da, und so gespalten die Positionen im GEW-Vorstand waren, so gespalten waren auch die Reaktionen in der Lehrerschaft. Die einen hofften, die anderen witterten eine große Schweinerei. Bücking: „Eine Untersuchung der tatsächlichen Arbeitszeit würde ohnehin unterschiedliche Belastungen zeigen. Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen.“ Und deshalb scheut die Gewerkschaft vor allem eines: Die Differenzierung der Arbeitszeitbelastung nach Fächern, wie sie von der Behörde angepeilt wird.

Daß eine FremdsprachenlehrerIn eine größere Belastung hat als eine LehrerIn für Geographie – daran will die Gewerkschaft nicht rühren. Dabei gibt es solche Differenzierungen schon längst, zum Beispiel in Österreich. Dort gibt es acht Bewertungsstufen. Ganz oben Deutsch und die Fremdsprachen, ganz unten Musik, Kunst und Sport. Die Verteilung der Arbeit sei dadurch viel gerechter, sagt ein Sprecher des Unterrichtsministeriums in Wien. Die Gewerkschaft will davon nichts wissen, sondern viel lieber über pauschale Arbeitszeitverkürzung reden. Jan Bücking: „Unser Ansatzpunkt ist nicht die Gerechtigkeit, sondern die starre Haltung der Arbeitgeberseite bei der Festlegung der Stundenzahl.“

So klemmt die GEW fest zwischen Abwehrkampf und der Freude darüber, daß die Behörde zum erstenmal anerkennt, daß Lehrertätigkeit über das reine Unterrichten hinausgeht. Der Bildungssenator will im Frühjahr mit der Gewerkschaft so weit verhandelt haben, daß zum Beginn des kommenden Schuljahres das neue System an ein paar Schulen ausprobiert werden kann. Im November soll sich der Bremer GEW-Gewerkschaftstag mit dem Thema befassen. Bücking: „Wenn es da zu keiner Entscheidung kommt ist das auch eine Entscheidung.“ Doch die Optimisten haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Gosch: „Der Handlungsdruck ist da, und wir müssen in die Offensive gehen.“ Die Konferenz Ende September war erst der Anfang einer Debatte. Bis zum November soll es nun eine ganze Reihe von Informations- und Diskussionsveranstaltungen geben. Auch die Behörde will noch einmal eine Informationskampagne starten. Heiko Gosch: „Die Diskussion an den Schulen geht erst los. J.G.