Wo sollen denn die Gewinner sein?

■ betr.: „Magical History Tour“ (Forrest Gump), taz vom 13.10.94

Liebe Anke Westphal, ich finde, Du betrachtest den Film „Forrest Gump“ zu einseitig. Du mußt diesen Film im Zusammenhang mit der gesamten amerikanischen Filmindustrie sehen: Zum erstenmal seit langem präsentiert uns Hollywood einen Film, der mehr bietet als nur teure Spezialeffekte und eine vorhersehbare, stereotype Handlung, und Du deutest nur eine fragwürdige Moral in den Film. Kein Wort verlierst Du dagegen über die neuartige (und für amerikanische Filme markttechnisch riskante) Erzählweise oder die dichte Story. Statt dessen erwartest Du, daß der geistig minderbemittelte Forrest Gump ein „politisches Symbol“ setzt. Dabei unterstellst Du dem Regisseur in seiner Darstellung sogar eine Abneigung gegen die Antikriegsdemonstranten und/oder die „Blumenkinder“.

Auch Deine abschließende Interpretation des Filmes halte ich für äußerst fragwürdig. Wo sollen denn die „Gewinner“ sein? Jenny, die an Aids stirbt? Dan Taylor, der zwar über sein erstes Vietnam- Trauma hinwegkommt, aber zeitlebens behindert bleibt? Oder gar Forrest Gump, der auch gegen Ende des Films die Welt um sich noch nicht versteht? Zeigt nicht der Film, daß eben nicht jeder „Gewinner“ sein kann? Soll nicht klarwerden, daß Menschen, die ihr Leben und das System nicht einfach „ohne Wenn und Aber“ annehmen, es einfach schwerer mit sich und dem Leben haben, als einfältige Jasager? Wird nicht zu guter Letzt sogar der amerikanische Reaktionismus als einfältig und vereinfachend dargestellt, gerade dadurch, daß Forrest dessen Werte und Ideen übernimmt und nachlebt?

Für mich jedenfalls ist Forrest Gump das Beste, das wir seit langem von Hollywood gezeigt bekommen haben. Sebastian Dullien, Essen