Blutbad im Herzen Tel Avivs

■ Anschlag auf Bus fordert 22 Tote und 48 Verletzte / Hamas übernimmt die Verantwortung

Tel Aviv (taz) – Bei einem der schwersten Bombenanschläge in der Geschichte Israels sind gestern in Tel Aviv 22 Menschen getötet und 48 weitere verletzt worden. Die Bombe explodierte um 8.55 Uhr Ortszeit in einem Linienbus im Stadtzentrum nahe dem Dizengoffplatz. Durch die Wucht der Explosion wurde der Bus völlig zerstört, Menschen und abgerissene Körperteile wurden durch die Luft geschleudert. Die Verantwortung für das Blutbad übernahm der militärische Flügel der palästinensischen Hamas-Bewegung, die Izzedin-Al-Kassem-Brigade.

In anonymen Anrufen bei den Büros verschiedener Nachrichtenagenturen behaupteten die Sprecher, daß die Täter zu den über 400 Palästinensern gehören, die die israelische Regierung vor fast zwei Jahren in den Libanon verbannte. Den Umgang mit Sprengstoff wollen die Attentäter dort von Mitgliedern der schiitischen Hisbollah-Bewegung gelernt haben. Später wurde über die Lautsprecher mehrerer Moscheen im Gaza-Streifen eine Erklärung der „Izzedin Al-Kassem“ verlesen. Darin war von einem Racheakt für drei Hamas-Mitglieder die Rede, die bei dem mißglückten israelischen Versuch, den entführten Soldaten Nachschon Wachsman zu befreien, getötet worden waren.

Der israelische Stabschef General Ehud Barak sagte, daß es sich bei dem Terroristen wahrscheinlich um einen allein agierenden Selbstmordattentäter gehandelt habe. Nach Aussage von Militärexperten soll er eine Sprengladung von mindestens 15 Kilo gezündet haben.

Sprecher der PLO im Gaza-Streifen und in der Westbank einschließlich Jassir Arafat selbst verurteilten den mörderischen Anschlag in Tel Aviv scharf. Nabil Schaath, der im Rahmen der palästinensischen Selbstverwaltungsbehörde für die Verhandlungen mit Israel verantwortlich ist, äußerte sein tiefes Bedauern und seine scharfe Ablehnung von Gewalttaten gegen Zivilisten. Kriminelle, die derlei Untaten verübten, seien Feinde des Friedens, erklärte Schaath.

Der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin, der sich zur Zeit des Anschlags in London befand, kehrte vorzeitig nach Israel zurück und rief die Regierung zu einer Sondersitzung zusammen. In einer Erklärung am Beginn einer außerordentlichen Knessetdebatte zu dem Anschlag im Herzen von Tel Aviv gab Außenminister Schimon Peres bekannt, daß der Gaza- Streifen und die besetzte Westbank für Palästinenser bis auf weiteres abgeriegelt wurden. Der Bürgermeister von Tel Aviv, Roni Milo (Likud), will nun nicht länger zulassen, daß Palästinenser aus dem Gaza- Streifen in die Stadt kommen. Seiner Ansicht nach soll das Autonomiegebiet definitiv von Israel abgetrennt werden. Likudführer Benjamin Netanjahu protestierte dagegen, daß Rabin den Gaza-Streifen, der in der Vorwoche im Zusammenhang mit der Entführung des Soldaten Wachsman abgeriegelt worden war, vor zwei Tagen wieder geöffnet hatte. „Gaza ist eine einzige Hochburg des Terrorismus, wo Hamas unter Arafats Schutz frei operiert. Und Rabin hat Hamas jetzt wieder ins Zentrum von Tel Aviv gebracht“, erklärte der rechte Oppositionsführer. Amos Wollin

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