Eine interaktive Revolution in der Oper?

■ Komponist Tod Machover entwickelt computergesteuerte Hyper-Instruments

Aus dem Alltagsleben sind Computer schon lange nicht mehr wegzudenken. Gerade in Form des PCs haben die elektronischen Wunderkisten ihren weltweiten Siegeszug schon längst hinter sich. Doch trotzdem die Industrie ihre Geräte massenhaft absetzt, darf darüber nicht vergessen werden, daß in breiten Kreisen Computer und ihre Anwendung noch immer auf vehemente Ablehnung stoßen.

Das gilt gerade für den Musikbereich. Kein Tag vergeht, an dem nicht über seelenlose Synthesizer-Klänge und tumben Techno lamentiert würde – eine zutiefst ideologische Haltung. Denn noch immer scheint es genug Menschen zu geben, die meinen, Musik sei ehrlicher oder authentischer – was immer das sein mag –, wenn von Hand gemacht. Kann man es nicht auch so sehen wie Bernard Albrecht von New Order? „Wenn man Scheiße in den Synthesizer steckt, kommt auch Scheiße raus.“ Was auch bei einer Gitarre schon vorgekommen sein soll.

Musiker, die sich gleichzeitig als Computer-Fachleute und Komponisten begreifen, haben es deshalb noch immer schwer, ihr Dasein als Künstler und nicht als Techniker zu legitimieren. Tod Machover ist so einer. Ende August stellte der Direktor der Forschungsabteilung für Experimentelle Medien am Bostoner Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Rahmen des dreizehnten Computer- und Informatik-Weltkongresses in Hamburg seine Kompositionen vor: Zusammen mit den Komponisten Jean-Claude Risset aus Frankreich und dem in der Hansestadt lebenden György Ligeti gab der studierte Musiker ein Konzert im Hörsaal des Pädagogischen Instituts.

Der 41jährige Machover beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit Computern und Musik. Die Grundfrage des quirligen Lockenkopfes: Wie können die musikalischen und kompositorischen Möglichkeiten mit Hilfe von Computern erweitert werden? Allerdings kann nur das an Komposition umgesetzt werden, wofür die notwendigen Instrumente vorhanden sind. Auch Johann Sebastian Bach bedurfte des technischen Fortschritts in der Orgelbautechnik, um seine Ideen umzusetzen. Nicht anders ergeht es vielen Elektronik-Künstlern, deren Geräte oftmals Marke Eigenbau sind.

Auch Machover ist ein Tüftler, der mit seiner Arbeit an Ideen von Laurie Anderson oder anderen Klang-Künstlern anknüpft. Seine selbstentworfenen Gerätschaften, die sogenannten Hyper-Instrumente, sehen jedoch auf den ersten Blick gar nicht neuartig aus. Ein von ihm entwickeltes Cello wirkt trotz Sensoren und eines mit dem Computer verbundenen Bogens fast herkömmlich. Aber eben nur fast, denn im Inneren steckt die Elektronik, die die Stärke der Berührungen und den Druck des Bogens mißt und an den Computer weitergibt, der die Daten auswertet und an das Instrument zurücksendet. So kann mit blitzschnellen Korrekturen der Klang dem eines normalen Instruments angenähert werden. Die Hyper-Instrumente sind sehr gefragt, zu seinen Kunden zählen unter anderen Peter Gabriel oder Yo-Yo Ma.

Eigentlich sind dies aber nur Spielereien. Wichtiger ist Machover das Projekt, an dem er derzeit arbeitet: die Brain Opera. In drei Jahren soll diese erste „interaktive Oper“ in Tokio zur Eröffnung des dortigen Interaktiven Museums uraufgeführt werden. Für Machover würde sich damit ein Traum erfüllen: „Das wäre die perfekte Verbindung von Tönen und Bildern.“ Doch wie die Oper tatsächlich interaktiv wird, kann Machover im momentanen Projektstadium selbst noch nicht genau erklären: „Wir stecken mitten in einer Revolution.“ Und deren Auswirkungen sind naturgemäß momentan noch nicht abzuschätzen. Bisherige Versuche mit künstlichen Sound-Welten sind allerdings meist nur wenig überzeugend gewesen. Und auch Interaktivität ist mehr Modebegriff, denn (virtuelle) Realität – bislang. Vielleicht aber führt Machover ja tatsächlich mit seiner Oper die angekündigte Revolution zuende. Clemens Gerlach