Grausam komisch

■ Ein Beziehungsdrama für die Kinder der 70er Jahre: „Vom Umtausch ausgeschlossen“ im Kleinen Haus des Stadttheaters Bremerhaven

Sie ist Sekretärin, überzeugte Singlefrau („Ich hole mir einen Schwanz, wennn ich einen Schwanz brauche“), er hat Familie, drei Kinder und ein Telefon im eigenen Büro. Eugen Ruge, Jahrgang 54, in der DDR, aufgewachsen, studierter Mathematiker, nennt sein Spiel für zwei Personen und ein Telefon „Vom Umtausch ausgeschlossen“. Vom Umtausch ausgeschlossen sind die Masken, in die sich der Mann und die Frau eingelebt haben. In kurzen, formelhaften Standardsätzen beschwören sie ihre Existenz. Mitten im reibungslosen Alltag hat es sie plötzlich kalt erwischt. Sie wissen nicht, wie die Begegnung enden soll. Sie ziehen vom Kaufhaus in die Kneipe (griechisch), von dort ins Büro (mit rosa Telefon). Aber aus der Stunde der wahren Empfindung wird ein grausam komisches Desaster. Denn das permanent störende Telefon – mit einer panisch mißtrauischen Ehefrau und einem unverfroren obszönen Chef am anderen Ende der Leitungen – ruft sie fortwährend auf den Boden der Tatsachen zurück. Am Ende sind die vorgetäuschten Glücks-Fassaden des Mannes und der Frau zwar völlig zusammengebrochen, aber dahinter gibt es zwischen ihnen keine echte Begegnung und keine andere Zeit.

Hat Eugen Ruge mit dem vor drei Jahren geschriebenen Stück nichts weiter getan als ein altes Handke-Thema wieder aufzuwärmen? Ein neuerlicher Ritt über den Bodensee, über das dünne Eis eingefrorener Sprachmuster? Vielleicht blieben Eugen Ruges lakonische Schlichtsatzketten („Ich fühle, schmecke, rieche, aber immer nur Nachgemachtes“) wenig aufregend, wären seine Figuren nicht Kinder der 70er Jahre, die sich vergeblich in ihre wilden Demos, ihre Tee- und nächtelangen Diskussionszeiten zurückzutasten versuchen.

Thomas Matschoß inszeniert diese Verlustgefühle und die Suche nach echtem Leben mit wenigen Mitteln und einer sparsamen, aber präzisen Choreograflie. Alexa Steinbrenner (die Frau) und Kay Krause (der Mann) sind von ordentlich gereihten Strichmännchen umstellt, die die sterilen weißen Wände wie ein Tapentermuster zieren. Ansonsten hängen vom Bühnenhimmel eine Packung Makaroni und eine Flasche Milch herab. Das ist alles, und das reicht, denn Matschoß gelingt es ohne jeden Firlefanz die Aufmerksamkeit ganz auf zwei Menschen zu konzentrieren. Alexa Steinbrenner und Kay Krause zeigen überzeugend, wie sich der Mann und die Frau jenseits der Sprache unter die Haut gehen wollen, und wie sie keine Worte dafür finden, daß das große Gefühl nicht wieder wachgerufen werden kann. Im Bremerhavener Stadttheater ist eine dichte Inszenierung zu sehen, die den Schmerz unter einer kalt gewordenen Sprache sichtbar macht.

Hans Happel

Weitere Aufführungen: 22.10. (19.30 Uhr), 23. 10. (20 Uhr)