Durchs Dröhnland
: Qualität der Verwirrung

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Diese Band ist eine der allerletzten Hoffnungen Frankreichs, daß vielleicht dort etwas wie eine eigene Vorstellung vom Rock 'n' Roll möglich ist, nachdem Les Negresses Vertes, durch Sängertod geschwächt, doch recht nachgelassen und Mano Negra das Beste auch schon hinter sich haben. Forguette Mi Note sind ein Flickenteppich aus reichlich Rhythmuswirrwarr, einer freundlichen Dosis Chanson und Suffseligkeit, satt Violine und respektloser Herangehensweise im punkschen Sinne. Da bleibt kein Tönchen auf dem anderen, wird gespielt, was die Instrumente hergeben, egal ob man oder frau es können. Vom Kinderliedchen zur Sonic-Youth-Noise- Wand zur Operettenträllerei, ohne Verschnaufpause und mit Mut zum unerwarteten Übergang, und vor allem zur Peinlichkeit. Wer Forguette Mi Note folgen kann, dürfte promoviert haben, aber sollte trotzdem seinen Spaß bekommen. Alle anderen haben den sowieso.

Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.

Absolut und überzeugt Low- Sci-fi sind die Surf-Instrumentals der Trashwomen. Und ungefähr ebenso einfallsreich wie ihr Name. Tausendmal gehört, aber in den Sechzigern klang der Trash besser, Anfang der Achtziger eine ganze Ecke fieser. Das fleischige und knappbekleidete Image der drei Frauen aus San Francisco immerhin ist eine klasse Meta-Parodie auf Russ Meyers parodistischen „Faster Pussycat! Kill! Kill!“

Heute, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Neukölln.

Passionierte Melancholiker wie du und ich treffen sich garantiert bei Grant Lee Buffalo, blinzeln aus feuchten Augen in die Bühnenscheinwerfer, trinken noch ein Bierchen zuviel und seufzen am Ende jeder Ballade im Chor. Das Trio tat sich ausgerechnet in Los Angeles aus Frust zusammen, und welche Stadt kann ein paar Menschen mit zusammen mehr als 52 Gramm Gehirnmasse schon besser frustrieren? Die städtische Depression sitzt so tief, daß sich die drei ausnahmslos in Balladen austoben, mal lärmig mit Gitarren, dann wieder folkig mit Banjo oder Mandoline. Aber immer, immer wunderschön – versprochen.

Am 23.10., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.

Betrachtet man sich die nahezu allüberall grassierende Einfallslosigkeit im Hardcore, sollte man denen vielleicht mal die 92er LP von Shudder To Think ans Herz legen. Die hieß nicht nur „Get Your Goat“, sondern Sänger Craig Wedrens Kopfstimme war tatsächlich einer Ziege nicht unähnlich. Die Instrumente züngelten um sie herum, daß den Kühen auf der Wiese ganz gehörig der Marsch gesägt wurde. „Pony Express Record“, der aktuelle Erguß von Shudder To Think, klingt dagegen zwar recht geglättet, zu durchdacht, kontemplativ und etwas langweilig, aber wenigstens einmal die Zukunft des Rock 'n' Roll gewesen zu sein, ist doch auch schon mehr, als die meisten anderen Musikanten vorweisen können.

Am 23.10., 21 Uhr, Huxley's Junior.

Die Einfallslosigkeit im modernen Punkrock setzt sich weiter fort, wenn auch auf allerhöchstem Niveau. Lag Wagon aus San Francisco zum Beispiel entkleiden den Hardcore nahezu aller Überflüssigkeiten, suchen nach der Struktur und finden irgendwas an der Knackstelle, an der Punk nicht mehr richtig Punk war, aber auch noch nicht richtig Hardcore. Etwas, was seit einiger Zeit schon recht erfolgreich und vor allem mit noch klärenderen, ja fast sauberen Sounds All versuchen. Eine wesentlich rustikalere Gangart bevorzugen Strung Out aus derselben Stadt, aber mit den matschigeren Gitarren. Auch das Tempo hat hier eher Sprintcharakter, ab und an überschlägt sich der Schlagzeuger fast. Punkrock, wie er nicht mehr sein muß, aber immer noch sein darf.

Mit den Spermbirds am 23.10., 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg.

Jede neue Platte von Jesus Lizard beginnt mit einem Song, der sich halbwegs nach normaler Rockmusik anhört, als wollten sie jedesmal am Anfang gleich klarstellen: Also, können täten wir das auch, aber wir wollen nicht. Danach geht es dann immer, so auch auf der neuen namens „Down“, so weiter, wie von der Nachfolgeband der legendären Scratch Acid gewohnt. Ein Gefissel und Gewimmel, gegen das ein Flug bei Windstärke zehn eine Erholung für den Magen ist, und Gestammel, Gekreische und Geknödel von Sänger David Yow, dessen angebliche Geisteskrankheit inzwischen endgültig als von Ex- Produzent Steve Albini zwecks Verkaufsförderung gestreutes Gerücht enttarnt sein dürfte. Nur falls ich es vergessen habe zu erwähnen: Natürlich sind Jesus Lizard eine der genialsten Bands dieses Planeten. Jedenfalls wenn man offensive Verwirrtheit als Qualität ansieht.

Am 24.10., 20.30 Uhr, Loft.

Irgendwie dann doch in den Tränenpalast passen in verhalten fröhlich klingelnder Traurigkeit die Killjoys, die sich kein Stück so anhören, wie ihr Name vermuten läßt. Statt dessen lassen sie als australische Band eine schöne, aber leider seit dem Ableben der Go-Betweens verschütt gegangene australische Tradition wieder aufleben. Die Weiten sind weit, das Leben ist nicht lebenswert, mein Liebster hat sich davongemacht, aber ist alles halb so schlimm, wenn ich noch ein Lied drüber machen kann. Das machen sie dann auch, schmelzen und schwelgen, berühren ganz vorsichtig ihre Gitarren und Tambourins und singen dazu. Zu den Go-Betweens fehlt ihnen noch mindestens ein großkalibriger Songschreiber, aber erst mal läßt sich auch mit den Killjoys ganz klasse eine Träne vergießen.

Am 26.10., 21 Uhr, Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte. Thomas Winkler