Subversives TV?

■ Medienmacher von „Blop“ bis ZAK diskutieren: Gibt es ein Fernsehen, das noch nicht „mit Ähnlichkeit geschlagen“ ist?

Geahnt haben wir's immer, aber spätestens seit Hans Meiser wissen wir's auch: kein Tabuthema mehr, das in der guten alten Flimmerkiste noch für Furore sorgt. Ob da einer bekennt, in welcher Position er am liebsten seinen Hamster vögelt, oder Lieschen Müller sich als S- Bahn-Surferin outet – die Flimmerkiste macht aus jeder Abweichung Unterhaltung zum Nachmittagskaffee. Und Horkheimer hatte es doch im Verein mit Adorno schon damals prophezeit, daß dieser kulturindustrielle Kasten alles nivellieren und „mit Ähnlichkeit schlagen“ werde. Daß aus ihm noch wahrhaft Ungesehenes, Provokantes, Subversives gar in die guten Stuben flimmern könnte, scheint heute gänzlich ausgeschlossen.

Da mußte es doch schon geradezu rührend anmuten, daß vergangene Woche zum Schluß eines mehrtägigen Symposiums an der Kölner Kunsthochschule für Medien Fernsehmacher über Strategien diskutierten, im Pantoffelkino die Regeln des Pantoffelkinos zu unterlaufen.

Enrico Ghezzi, Erfinder des Magazins „Blop“, das in Italien seit nunmehr fünf Jahren auf RAI 3 über den Schirm läuft, ist einer, der sich an diese Quadratur des Kreises in ebenso pfiffiger wie radikaler Form versucht hat. Seine „Blop“-Idee: die Fernsehbilder eines Tages in Form eines unkommentierten, nach keinen festen Kriterien zusammengeschnittenen Samplings zu einem eigenen Magazin zu verarbeiten. Eine Art Fernsehrecycling, das sich nicht mehr an der Schnittstelle von Fernsehen und Wirklichkeit abarbeitet, sondern das Fernsehen als Wirklichkeit nimmt und sich nach Pop- art-Manier auf die Vervielfältigung des Existierenden als höchstmögliche Form der Kritik beruft.

Inzwischen hat „Blop“ auch hierzulande Nachahmer gefunden: „Zapping“, bei „Premiere“ zu sehen. So was ist bisweilen erhellend, manchmal amüsant, letztlich jedoch kaum mehr als das Superkonzentrat jenes Bildsalats, den sich auch Otto Normalverbraucher als TV-Anarcho jeden Abend per Fernbedienung anrichtet.

Mit welcher Geschwindigkeit innovative Fernsehformen überleben, wurde vor allem bei Thomas Schmitt deutlich, der 1988 sein (Kultur-)Magazin „Freistil“ aus der Taufe hob, das ohne Rücksicht auf unmittelbare Verständlichkeit assoziativ Bilder und Texte zu einem Thema aneinanderreihte. Doch mit dem, was damals selbst schwerst progressive Feuilletonisten in Entzücken versetzte, ließe sich heute keiner mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Der Ausschnitt aus der letzten „Freistil“- Sendung (das Magazin wurde nach zehn Ausgaben eingestellt), den er während der Debatte präsentierte, mutete schon reichlich verstaubt an.

Mit gänzlich anderen Bildern, aber nicht minder antiquiert kam die wortreiche Klage des italienischen „VideoPoetOperateurs“ (so nennt der Mann sich nun mal) Gianni Toti daher, der von „elektronischen Schlössern“ schwärmte, für die leider keine real existierende Sendeanstalt eine Baugenehmigung erteilen wolle. Die gute alte Glotze als schlichte Abspielstätte für die Elaborate von Videokünstlern? Ach, nein, das kann's doch nicht sein. Das hat mit einer Auseinandersetzung mit dem Medium Fernsehen ungefähr so viel zu tun wie die Klage eines Malers über die Weigerung von Tageszeitungen, regelmäßig seine neuesten Bilder abzudrucken. Soll Toti doch mal bei Alexander Kluge anfragen. Vielleicht hat der in seinen medienpolitisch bestellten Schrebergärtchen für so was ja noch Platz.

So nahm es nicht wunder, daß ausgerechnet ZAK-Moderator Friedrich Küpppersbusch, Aushängeschild eines vergleichsweise höchst konventionellen Magazins, inmitten dieser Subversionsstrategen den überzeugendsten Eindruck hinterließ. Mit der Souveränität eines Medienpraktikers, der es nicht mit hoh(l)em Wortgeklingel hat, dafür aber weiß, was er tut, sezierte er anhand von zwei ZAK- Interviews mit Rudolf Scharping den Aufbau eines Provinzpolitikers zum medientauglichen Kanzlerkandidaten. Wie der Kanzlerkandidat da mit neuer Hornbrille im zweiten Interview (im ersten war er nur Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz) unter größter Anstrengung versuchte, die ihm von seinen PR-Strategen verordnete Körperhaltung – nachdenklicher Kopf auf Hand gestützt – durchzuziehen, war schon sehenswert.

Aber ZAK als großer Gegenentwurf? Zuviel der Ehre für Küppersbusch: „Wir machen hier Zuckerbrot und Peitsche unter den Bedingungen des Fernsehens.“ Recht so. Denn das Subversivste, was das Einbahn-Fernsehen zu bieten hat, sind letztlich unvorhersehbare Störungen in Form des Ausfalls von Bild und Ton. Wenn einer gerade vormacht, wie er seinen Hamster vögelt, und dann das Bild ausfällt – das ist der Hammer, an den nichts heranreicht.“ Reinhard Lüke