Mangelsdorff für Gruntz

■ Changing of the guards beim Berliner JazzFest

Schon vor der Pressekonferenz am Mittwoch war es kein Geheimnis mehr, aber nach der Pressekonferenz war es immerhin amtlich: Nach 23 Jahren verabschiedet sich der Baseler Musiker und Komponist George Gruntz von einem der lukrativsten Funktionärsposten im Jazzbusineß – der Leitung des Berliner JazzFests, das dieses Jahr in der Zeit vom 16. bis 20. November stattfinden wird. „Ich bin jetzt 62 und werde den Platz räumen, um mich ganz meiner musikalischen Tätigkeit zu widmen“, hieß es von Gruntz etwas lapidar.

Der Leiter der Berliner Festspiele GmbH, Dr. Ulrich Eckhardt, gab bekannt, daß der 66jährige Posaunist Albert Mangelsdorff nach langem Zögern den Vertrag für die Leitung des nächsten JazzFestes unterschrieben habe. Da Mangelsdorff bei der Pressekonferenz selbst nicht anwesend war, blieben Fragen nach seinen konzeptionellen Vorstellungen und möglichen Veränderungen in der Programmstruktur einstweilen offen.

Mit Mangelsdorff habe man aus dem Bewerberkreis einen Musiker ausgewählt, der das nötige Renommee, die Connections, den Überblick und die Lust für den Job mitbringe, sagte Eckhardt. Auch Gruntz mimte Zustimmung zur Wahl seines Nachfolgers. Rückblickend würdigte er seine eigene JazzFest-Politik als innovativ und seine Kritiker als „zäh“ und „kurzsichtig“. Daß das einst weltweit beachtete Berliner JazzFest in den letzten zwei Dekaden zu einem guten lokalen Festival wurde, das sich von den heute etwa 500 europäischen Jazzfestivals gerade noch durch die Höhe der Subventionen unterscheidet, ist häufig der Leitungstätigkeit von Gruntz angelastet worden.

Zum Abschied trumpft Gruntz heuer mit einem Fest-Thema auf, das auf eine Programmkritik des JazzFest-Beraters Amiri Baraka zurückgeht: Great Black Music. Baraka hatte „too much fusion“ bemängelt, was umgekehrt bedeutet: zu wenig schwarze Musiker im Programm der letzten Jahre. Gruntz war daraufhin Anfang des Jahres zu seinem „langjährigen Freund“ Baraka gereist, um gemeinsam mit ihm das diesjährige JazzFest-Thema auszuarbeiten. Warum der afroamerikanische Poet Baraka bei Gruntz seinem erklärten Motto „Never trust a white ass“ untreu wurde, erklärte der scheidende Leiter so: „Baraka sagte mir, daß das nicht für europäische Künstler und Intellektuelle gelte.“

Auch das höchstsubventionierte Jazzfestival hat mit der Flaute in den öffentlichen Kulturkassen zu kämpfen, kommentierte Eckhardt den Umstand, daß das einst vom Bund mitfinanzierte JazzFest mittlerweile allein vom Berliner Senat und der ARD subventioniert werde und deshalb ohne Sponsoren nicht mehr überlebensfähig sei. Der Etat fror bei einer Million Mark ein; bei gleichen Kosten seien jedoch in diesem Jahr nur etwa die Hälfte der 14.000 BesucherInnen des Vorjahres zu bedienen. Denn aus organisatorischen Gründen muß das JazzFest in diesem Jahr von seinem traditionellen Spielort, der Berliner Philharmonie, ins kleinere Haus der Kulturen der Welt ausweichen. Christian Broecking