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Elf Jahre Haft für Neonazi Küssel

■ Im zweiten Anlauf Urteil vor dem Wiener Schwurgericht wegen „nationalsozialistischer Wiederbetätigung“

Wien (taz) – In seinem Schlußplädoyer bat Neonazi Gottfried Küssel die Geschworenen blumig um Gnade: „Schon seit drei Jahren sind für mich und meine Frau die Mauern und Gitter des Gefängnisses die einzigen Zeugen einer nichtgelebten Hochzeitsnacht.“ Geht es um seine politischen Gegner oder um den Rechtsstaat, ist der 36jährige Küssel nicht so zimperlich: „Die Bevölkerung wird die Politiker aus dem Parlament holen und an den Peitschenlampen der Ringstraße aufknüpfen“, prophezeite er etwa anläßlich einer Sonnwendfeier vor der Kamera eines deutschen Fernsehteams.

Wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung, das heißt Gründung und Leitung der rechtsradikalen „Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition“ (Vapo), wurde Küssel in der Nacht auf Donnerstag nun im zweiten Anlauf vom Wiener Schwurgericht zu elf Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Aufgrund von Formfehlern hatte das Oberste Gericht das erste Verfahren gegen Gottfried Küssel für ungültig erklärt.

Mit seiner Entscheidung blieb das Schwurgericht in der Nähe der Untergrenze des Strafrahmens. Die Höchststrafe für organisierte Neonazis orientiert sich in Österreich am Strafmaß für Hochverrat – lebenslänglich.

Neun teilweise turbulente Verhandlungstage waren dem Urteil vorangegangen. So wurden vier österreichische Rechtsextremisten um den „Kameradschaftsführer“ Hans-Jörg Schimanek junior, die als Zeugen geladen waren, noch im Gerichtssaal wegen Falschaussage verhaftet. Sie hatten behauptet, eine Feier am 20. April zum „Führergeburtstag“ sei eine harmlose Party zu Ehren einer Kameradin gewesen. Videobänder, die dem Gericht aus dem Umfeld Küssels zugespielt wurden, widerlegten dies jedoch. Darauf konnten Richter und Geschworene sehen, wie Vapo-Führer Küssel zwischen schwarz-rot-weißen Fahnengirlanden und in Mussolini-Pose davon redete, den Staat zu zertrümmern, „der Bewegung“ die Straße zurückzuerobern und die Macht zu ergreifen.

Während des gesamten Prozesses wirkte der sonst rhetorisch so gewandte Küssel nervös und angeschlagen. Auf die Frage der Richterin, ob er nicht meine, daß sein Lebenswerk viele nützliche Idioten motiviert habe, Unheil anzurichten, überraschte Küssel sogar mit einem Anflug von Reue: „Ja, ich habe die Befürchtung auch schon gehabt“, sagte Küssel und fügte hinzu, er sei wohl von vielen falsch verstanden worden.

Zur Sprache kamen auch Küssels lebhafte Kontakte zur deutschen Neonazi-Szene um den mittlerweile an Aids verstorbenen Neonazi-Führer Michael Kühnen, den Hamburger Neonazi Christian Worch und den inzwischen öffentlichkeitswirksam aus der Szene ausgestiegenen Ingo Hasselbach.

Hasselbach war in Wien zweimal als Zeuge geladen, aber nicht vor Gericht erschienen. In seiner Aussage, die Hasselbach bei der Berliner Polizei gemacht hatte, hatte er Küssel beschuldigt, 1993 den Auftrag für eine als Postsendung getarnte Bombe erteilt zu haben, die von Hasselbachs Mutter geöffnet wurde. Nur weil die Batterie des Zündmechanismus leer war, explodierte die Bombe nicht. Die Staatsanwaltschaft will jedenfalls weiter ermitteln.

Gottfried Küssel hat unterdessen gegen das Urteil Berufung eingelegt. Jörg J. Meyerhoff

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