Rubel auf der Rutsche

■ Rußlands Zentralbank hat kaum noch Devisenreserven, um die Währung zu stützen / Tschernomyrdin kündigt Sparkurs an

Berlin (taz) – Der Kurs der russischen Währung befindet sich wieder auf Talfahrt. Ein US-Dollar kostete gestern an der Moskauer Devisenbörse 3.015 Rubel. Das sind zehn Rubel mehr als am Mittwoch, doch auch vorgestern war der Dollar um neun Rubel gestiegen. Nach dem kurzzeitigen drastischen Sturz in der vergangenen Woche, als der Rubel von 3.081 auf 3.926 pro Dollar fiel, reagiert die russische Regierung jetzt schon nervös auf das sanfte Abrutschen: Ministerpäsident Viktor Tschernomyrdin warnte vor Panikreaktionen. Dafür gebe es „überhaupt keinen Grund“, sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax auf einer Kabinettssitzung gestern in Moskau. Westliche Experten halten das langsame Absacken für die sanfteste Art, den als überbewertet geltenden Rubelkurs realistisch abzuwerten.

Nach Angaben Tschernomyrdins sind die Preise in Rußland als Reaktion auf den „schwarzen Dienstag“ vergangener Woche zwischen sechs und elf Prozent gestiegen. In einigen Regionen habe der Preisanstieg bis zu 14 Prozent betragen. Tschernomyrdin zeigte sich trotzdem optimistisch, die Geldentwertungsrate bis zum Ende des Jahres auf monatlich fünf bis sieben Prozent einzudämmen. Noch ehrgeizigere Pläne hatten am Mittwoch das Finanz- und das Wirtschaftsministerium verkündet. Mitte 1995 soll danach die monatliche Inflationsrate nurmehr ein Prozent betragen. Nach neuesten Zahlen aus dem Finanzministerium sollen bei Einnahmen von 131 Billionen Rubel die Staatsausgaben in diesem Jahr auf 208 Billionen begrenzt werden. Vor einem Monat hatte das Finanzministerium die Ausgaben noch mit 260 Billionen Rubel beziffert.

Westliche Rußlandbeobachter sind allerdings skeptisch, ob die Regierung tatsächlich eine Sparpolitik durchhalten kann. Armee, Industrie und Landwirtschaft verlangen nach weiteren Subventionen. Zahlt der Staat das nicht vorhandene Geld aus, muß er neues drucken, was automatisch die Inflation anheizt. Zahlt er nicht, wird die Produktion weiter fallen. Massenentlassungen wären dann nicht länger zu vermeiden.

Bereits während des Sommers konnte eine beschleunigte Inflation nur durch massive Stützungskäufe der Zentralbank verhindert werden. Vor einer Woche verfügte die Zentralbank nur noch über Devisenreserven von knapp 1,8 Milliarden Dollar, während die notwendige Bestandsgrenze an Devisen von Experten auf drei Milliarden Dollar angesetzt wird. Seither sind die Reserven so weit zusammengeschmolzen, daß die Zentralbank sich weigert, irgendwelche Zahlen zu nennen. Im Sommer sollen die Devisenreserven noch sieben Milliarden Dollar betragen haben.

Um den Rubel langfristig zu stärken, tauchte die Idee eines Stabilisierungs-Fonds wieder auf, den der Internationale Währungsfonds (IWF) bereits vor zweieinhalb Jahren zugesagt hatte – unter der Bedingung, daß der russische Staatshaushalt konsolidiert wird. Donata Riedel