„Hamburger Tafel“-Freuden

■ Eine neue Initiative versorgt Obdachlose mit Lebensmitteln, die nicht verbraucht wurden / Eine Frau kocht schon lange selbst

Obst und Gemüse, Brot, Käse oder Fleischernes - tonnenweise landen täglich Lebensmittel im Müll. Nicht etwa, weil sie schlecht, sondern weil sie nicht verbraucht wurden. Kein Zustand, fand Annemarie Dose, erinnerte sich an eine Berliner Initiative und kreierte die „Hamburger Tafel“. 18 MitarbeiterInnen wollen künftig Obdachlose und andere Bedürftige mit den Lebensmitteln versorgen, die „bei Händlern, Herstellern, Gastronomen und Fluggesellschaften übrig bleiben“. Gestern wurde das Projekt im Büro der Obdachlosen-Zeitung Hinz & Kunzt in der Curienstraße vorgestellt.

Anders als in Berlin werden die ehrenamtlichen Hamburger MitarbeiterInnen nur Suppenküchen und ähnliche Hilfseinrichtungen beliefern. Damit, sagt Annemarie Dose, kann sichergestellt werden, daß die Lebensmittel bei den Bedürftigen ankommen. Die Unternehmen sollen sich bei der „Hamburger Tafel“ melden, deren MitarbeiterInnen erfragen den Bedarf der Suppenküchen und holen die Lebensmittel dann im eigenen Auto ab.

Am 6. November, pünktlich zum ersten Geburtstag von Hinz & Kunzt, sollen die „Hamburger-Tafel“-Freuden beginnen. Die InitiatorInnen wollen damit ihre Verbundenheit mit dem Straßenmagazin zum Ausdruck bringen, zumal der Gründer und Herausgeber von Hinz & Kunzt, Dr. Stephan Reimers, Chef der Hamburger Diakonie, auch Schirmherr der „Hamburger Tafel“ ist. Wer mitmachen möchte, sei es als LieferantIn oder MitarbeiterIn, kann sich bei Annemarie Dose melden: Tel.: 644 87 53, Fax: 644 33 32. Und auch Geldspenden sind willkommen (Diakonisches Werk Hamburg, Haspa, BLZ 200 505 50, Kto.Nr. 1268/131 131, „Hamburger Tafel“).

Spenden hat auch Ilse Schaper dringend nötig. Seit drei Jahren organisiert und finanziert die alleinerziehende Mutter zweier Töchter Essensausgabe auf der Straße. Selbst drei Monate obdachlos gewesen, kocht Frau Schaper zu Hause oder in der Großküche der kirchlichen Kindertagesstätte St. Pauli Süd und verteilt die warmen Mahlzeiten auf der Reeperbahn oder am Hauptbahnhof an Obdachlose.

„Meine Zielgruppe sind diejenigen, die aus Stolz nicht zu den Suppenküchen gehen, und die, die nicht mehr gehen können“, sagt die engagierte voll berufstätige Frau. „Als ich damals unverschuldet um Mitternacht auf der Straße stand, haben mir Obdachlose ganz selbstverständlich ein Zelt geliehen und sich rührend um mich und meine Tochter gekümmert“, erklärt sie ihr Engagement, das sie bis zu 1000 Mark im Monat kostet.

„Mein größtes Problem sind nicht die Kosten für die Lebensmittel“, sagt sie, „sondern die Fahrtkosten. Ich habe nämlich kein Auto und bin aufs Taxi angewiesen.“ Mit einem vollen Kochtopf oder vier Kisten Gemüse kann sie die Bahn nicht benutzen. Sie hat zwar Spen–den von der Kirche bekommen, aber Geld fehlt immer. Sie sammelt außerdem Kleider, Schlafsäcke und andere Sachspenden für Obdachlose. Wintersachen und Decken werden benötigt, am dringendsten braucht sie aber eineN FahrerIn. Wer helfen möchte, ruft Ilse Schaper in der Woche unter Tel.: 690 70 18 (ab 23 Uhr), am Wochenende unter Tel.: 04823/73 02 an.

Stefanie von Drahten