Ein dichter Deckel für Boehringers Gift-Topf

■ Sanierung des verseuchten Geländes ist gescheitert / Die Dioxin-Bombe tickt weiter

Das Sanierungskonzept von Boehringer ist gescheitert. Die Chemiefirma, die in Hamburg-Moorfleet zwischen 1951 und 1984 Pflanzenschutzmittel hergestellt hat und dabei ihr Gelände unter anderem mit Dioxin verseuchte, will die Notbremse ziehen. „Uns bleibt nur noch das Einkapseln des Schadensherdes“, gab Boehringer-Sprecher Heribert Johann gestern zu.

Dabei hatte es noch vor vier Jahren ehrgeizige Sanierungspläne gegeben. Im September 1990 wurde mit der Hamburger Umweltbehörde eine diesbezügliche Vereinbarung unterzeichnet. Boehringer verpflichtete sich darin zu Aufwendungen in Höhe von 146 Millionen Mark, dafür verzichtete die Hansestadt auf ein langwieriges Gerichtsverfahren. Die thermische Bodenbehandlungsanlage „Prometheus“ wurde gebaut und eine Versuchsanlage zur Reinigung des Grundwassers im Boden installiert.

Vergebens, wie sich jetzt zeigt. Zwar werden bis Ende des Jahres knapp 10.000 Tonnen hochbelasteten Bodens auf dem ehemaligen Betriebsgelände durch Prometheus entgiftet. Doch die Anlage, in der die Schadstoffe aus dem Boden erst in einen gasförmigen Zustand überführt und dann verbrannt werden, arbeitet zu langsam. Meist steht sie sogar still, weil die Förderbänder immer wieder durchrosten. Inzwischen breiten sich die Schadstoffe über das Werksgelände hinweg aus. Eine Altlasten-Zeitbombe, die bedrohlich tickt.

Deshalb gibt die Umweltbehörde jetzt grünes Licht für die Einkapselung des Geländes. Umweltsenator Fritz Vahrenholt: „Unsere Prüfungen haben ergeben, daß diese Art der Sicherung die beste Lösung ist, die sich derzeit realisieren läßt.“ In den kommenden drei Jahren soll das 85.000 Quadratmeter große Gelände von einer sogenannten „Dichtwand“ umschlossen werden. „Diese Dichtwand wird bis in die undurchlässige Glimmertonschicht unter dem Gelände reichen, das heißt bis in eine Tiefe zwischen 30 und knapp 50 Meter“, so Vahrenholt. 650 Tonnen reiner Schadstoffe werden so eingeschlossen und isoliert. „Dieser Topf wird mit einem 60 Zentimeter dicken Deckel aus Bauschutt, Kies, Sand und Asphalt verschlossen.“

Die Altlast von morgen? Boehringer-Sprecher Heribert Johann verweist auf die zusätzlichen 40 Millionen Mark, die sein Unternehmen für die Einkapselung zur Verfügung stellt: „Wir haben eine Entgiftung versucht, mehr ist beim heutigen Stand der Technik und auch aus finanziellen Erwägungen nicht drin.“

Prometheus wird auf jeden Fall im nächsten Jahr demontiert, eine mögliche Reinigung des eingekapselten Bodens wird es nicht geben. „Zu teuer.“ Umweltsenator Fritz Vahrenholt will aber eine Entgiftung bis „zu einer gewissen Tiefe anregen“, damit das Gelände künftig wieder zu nutzen ist. Außerdem soll die „Schadstoffahne“, die über das eigentliche Werksgelände hinaussickert, in sechs Grundwasserbrunnen aufgefangen und gereinigt werden.

Bleibt die Frage, ob das Gelände tatsächlich durch eine fast 50 Meter tiefe Dichtwand wirksam abzudichten ist. Beim „heutigen Stand der Technik“ sind offenbar nicht rostende Förderbänder schon Herausforderung genug.

Torsten Schubert