Die Mehrheit braucht keine Zeugen

■ Asylrecht: Streit um Petitionsausschuß in der Bürgerschaft / Transparenz statt Routine / Kann Kontrolle der Verwaltung Sünde sein? Von Kaija Kutter

Die Statt Partei ließ sich gestern nachmittag die Tagesordnung für die Sitzung des Petitionsausschusses von der Innenbehörde faxen. Die GAL-Abgeordnete Anna Bruns verzichtet auf diesen besonderen Service. Die Zeit bis Montag nachmittag sei eh zu knapp, um sich auf die circa 30 Einzelfälle vorzubereiten, in denen es meist um die Frage geht: Abschiebung oder Nicht-Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, die den Ausschuß angerufen haben.

Diese Routine zwischen Verwaltung und Parlament war am Donnerstag abend Gegenstand einer denkwürdigen Debatte in der Bürgerschaft gewesen, die in dem Ausspruch des SPD-Abgeordneten Rolf Polle gipfelte: „Es kann nicht die Aufgabe des Eingabeausschusses sein, die Entscheidungen von Verwaltung und Rechtssprechung zu konterkarieren“ (taz berichtete).

Die GAL hatte eine Gesetzesänderung verlangt: Die rechtzeitige Bekanntgabe der Tagesordnung, die bessere personelle Ausstattung des Ausschusses, die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen sowie die Pflicht des Ausschusses, auf Antrag eines Fünftels der Mitglieder die Petenten selbst, Zeugen oder Sachverständige anzuhören.

Bislang nämlich, so die GAL-Abgeordnete Anna Bruns, würden derartige Anträge in der Regel von der CDU-SPD-Mehrheit im Ausschuß abgelehnt. Die Menschen, über die entschieden wird, bekommen die Abgeordneten nur äußerst selten zu Gesicht. Der „Fall“ und auch gleich die gewünschte Entscheidung wird vom Leiter der Ausländerbehörde persönlich vorgetragen. Bruns wörtlich: „Die Behörde hat ein Monopol des Herrschaftswissens, das Spezialwisssen des gesamten Apparates und das Monopol des letzten Wortes. Wir Abgeordneten haben nur unseren gesunden Menschenverstand, unser Engagement und unser Unbehagen. Aber keinerlei fachliche Zuarbeit.“

Daß es mit dem Ausschuß „so nicht weitergeht“, erkennt immerhin auch der Fraktionschef der Statt Partei, Markus Wegner: „Es muß mehr Transparenz geben. Die Abgeordneten müssen mehr Möglichkeiten bekommen, die Fälle anders aufbereitet werden“.

Wegner, der dem Verfassungsausschuß vorsitzt, in den der GAL-Antrag überwiesen wurde, schwebt Konkretes vor. Gibt es doch sechs Ausschußmitarbeiter der Bürgerschaft, die auf wundersame Weise den Fraktionen zugeordnet werden, obwohl man sie doch besser der Bürgerschaftskanzel zuordnen solle und damit „den Ausschüssen, wo die Arbeit anfällt, wie dem Petitionsausschuß.“

Auch eine sofortige Öffentlichkeit der Sitzungen hält Wegner für machbar und sinnvoll. Allerdings werde er so etwas „nicht durchknüppeln gegen den Willen der anderen, wie zum Beispiel der CDU“.

Selbst die Frage, ob der GAL-Antrag im Verfassungsausschuß gesondert behandelt wird – was aufschlußreich wäre, da dieser öffentlich tagt – oder ob er, wie es die SPD vorschlug, in der allgemeinen Debatte um eine Parlamentsreform untergemischt wird, will Wegner der dortigen Mehrheit überlassen.

Die Mehrheit hat immer Recht. Davon ging jedenfalls auch Rolf Polle aus, als er gegen die GAL-Forderung wetterte, als Minderheit die Anhörung von Betroffenen und Sachverständigen beantragen zu dürfen. Polle: „Es ist äußerst unwahrscheinlich, daß sich eine Mehrheit durch eine Anhörung von Zeugen oder Sachverständigen, die gegen ihren Willen durchgesetzt wurde, vom Gegenteil ihrer bisherigen Meinung überzeugen läßt.“

Diese Mehrheit hat es auch in der Hand, über die Öffentlichkeit einer ganz pikanten Sitzung zu befinden: dann nämlich, wenn eine Sammelpetition von 28 Anwälten verhandelt wird. Deren Bitte an den Petitionsausschuß: Er möge seine eigene Praxis ändern...