Den Kiez vor dem Abrutsch bewahren

Günther Brattig, 67 Jahre, Rentner

Auf die Sanierung warten wir schon lange. Um meine Fenster kümmere ich mich jetzt erst einmal selbst. Die sind von 1923, fingerdick Farbe drauf. Man kann ja nicht ewig warten, daß etwas passiert. Ein wenig Eigeninitiative gehört auch dazu. Mit einer Mieterhöhung nach der Sanierung würde ich mich abfinden, das kostet schließlich alles Geld. Umsonst bekomme ich nichts, das ist normal.

Kathrin Ziegler, 21 Jahre, Studentin

Für eine Sanierung wird es langsam Zeit. Die Häuser hier müssen unbedingt erhalten bleiben. Ich befürchte aber auch, daß eine Sanierung das soziale Milieu rund um den Traveplatz stark verändern wird. Diese Mischung aus Studenten, Alten, Hausbesetzern und Arbeitern ist doch einzigartig. Ich bin überrascht, wie gut das Zusammenleben funktioniert. Das muß so bleiben.

Luise Zaremba, 83 Jahre, Rentnerin

Eines Morgens kamen einige Handwerker zu mir, um die Balkons abzuschlagen, angeblich wegen Einsturzgefahr. Am Abend zuvor hatte ich dort oben noch eine kleine Feier gegeben. Na, hier ist man ja einiges gewohnt. Ansonsten bin ich froh, daß saniert wird. Hoffentlich darf ich das noch erleben: ein heißes Bad ohne Gang in den Keller zum Kohlenschippen. Lange genug gewartet habe ich ja.

Jürgen Tallig, 38 Jahre, Student

Hier muß ganz schnell etwas passieren, sonst rutscht die Gegend zum Asozialenviertel ab. Hier wurde seit 20 Jahren nichts gemacht, dementsprechend ist das soziale Milieu: viele Alte, Arbeitslose. Der Travepark ist allmorgendlicher Treffpunkt für die Schluckis. Einziger Lichtblick sind bis jetzt die Hausbesetzer. Die Sanierung könnte eine Chance sein, das Viertel zu beleben.

Maria Novak, 37 Jahre, Hausfrau

Die Häuser, die Straßen brauchen endlich Licht und Farbe. Die Kinder spielen schon nicht mehr im Park. Jeden Tag sehen sie dort die gleichen Gesichter auf den Bänken: Alkoholiker oder Hausbesetzer mit riesigen Hunden. Nein, die Gegend ist wirklich nicht sehr kinderfreundlich. Aber jetzt soll der Park erneuert werden, mit Spielplatz und Springbrunnen. Wir freuen uns alle schon darauf.

Heidi Brühner, 34 Jahre, Buchhändlerin

Die Ernennung zum Sanierungsgebiet ist ein zweischneidiges Schwert. Die Mieten steigen zwar nicht ins Unermeßliche, aber doch in einem Maße, daß viele abwandern müssen. Besser wäre eine reine Instandsetzung der Häuser, denn dazu ist der Besitzer verpflichtet, ohne daß ein Mietaufschlag erfolgen darf. Was können schließlich die Leute dafür, daß hier jahrzehntelang nichts gemacht wurde? Umfrage: Noäl Rademacher

Fotos: Bente Geving