■ Eine schrecklich nette Familie, diese Windsors, doch:
: „Sind sie noch ganz bei Trost?“

London (taz) – Sie wäre gerne noch etwas länger geblieben, aber die Russen hatten genug von ihr. So mußte die englische Königin Elisabeth gestern die Reise in die Heimat antreten, wo ihr Familienelend täglich in der Presse breitgetreten wird. Morgen veröffentlicht die Sunday Times den zweiten Teil der Prinz-Charles-Biographie, in dem es um seine Affaire mit Camilla Parker-Bowles gehen soll.

Freilich war auch die erste Rußlandreise eines britischen Monarchenpaares kein ungetrübtes Vergnügen. Der russische Premierminister Wiktor Tschernomyrdin weigerte sich, seinen Urlaub am Schwarzen Meer abzubrechen, um die Queen zu treffen. Das war wohl die Rache für die britische Irak-Politik. Die russische Bevölkerung blieb ebenfalls zu Hause, nur ein paar hundert Menschen strömten auf die Straße, um Elisabeth zuzuwinken.

Möglicherweise spielten bei dem kühlen Empfang auch die Forderungen verschiedener englischer Zeitungen eine Rolle, daß sich der russische Präsident Boris Jelzin bei der Queen „für den Bolschewikenmord an ihrer Verwandten Alexandra, einer Enkelin Königin Viktorias, entschuldigen“ sollte. Alexandra war im Juli 1918 nach der Revolution gemeinsam mit ihrem Mann, Zar Nikolaus II., und ihren Kindern getötet worden. Allerdings hat sich vor kurzem gezeigt, daß der Opa von Elisabeth, König Georg V., sein Scherflein zum Tod der Verwandtschaft beigetragen hatte. Er hatte nämlich 1917 sein Asylangebot an Cousin Nikolaus wieder zurückgezogen. In den siebziger Jahren ließ der Parteichef von Swerdlowsk das Ipatiew-Haus, wo der Mord an der Zarenfamilie geschehen waren, abreißen, weil es zur Pilgerstätte geworden war. Dieser Parteichef war Boris Jelzin. Um das wiedergutzumachen, ist die Zarenfamilie in Ostrußland ausgegraben und mit Hilfe einer Blutprobe von Prinz Philip – seine Großmutter war eine Schwester der Zarin – genetisch identifiziert worden. Die Überreste kommen im nächsten Jahr in die Petersburger Kathedrale der Heiligen Peter und Paul.

Bei ihrem Rundgang traf Elisabeth die 28jährige Biologiestudentin Galina Gusarowa, die ein paar Semester in Manchester, der Partnerstadt St. Petersburgs, studiert hat. „Nicht gerade ein schöner Ort“, meinte die Queen lakonisch, womit sie zwar recht hatte, jedoch die halbe Million Einwohner der nordenglischen Stadt gegen sich aufbrachte. Der königliche Sekretär versuchte, die Sache wieder geradezubiegen. „Es handelte sich nur um ein heiteres Gespräch über Manchester als Studienort“, sagte er und fügte hinzu, daß die Queen im Grunde genommen ständig nach Manchester fahre.

Unterdessen unterhielt sich Philip mit einem Mann, den er für einen Einheimischen hielt. Als sich herausstellte, daß es sich dabei um einen Touristen aus Birmingham handelte, sagte Philip: „Mit diesem Bart sind sie ja schon ein halber Russe.“ Ansonsten benahm sich der Queengemahl diesmal nicht daneben, was bei ihm keine Selbstverständlichkeit ist. Bei einer Chinareise im Jahr 1980 wunderte er sich lauthals über die vielen „Schlitzaugen“.

Prinz Charles hält jedenfalls nicht viel von seinem Vater. Im ersten Teil der Charles-Biographie von Jonathan Dimbleby, die mit Hilfe des Thronfolgers zustande gekommen ist und als Fortsetzungsgeschichte in der Sunday Times erscheint, heißt es über Philip, er sei stets „kalt und abweisend“ gewesen und habe Charles gegen dessen Willen zur Ehe mit Diana gezwungen, die „er nie geliebt hat“. Nach seiner Reaktion auf die Angriffe seines Ältesten befragt, konnte sich Philip nur mühsam beherrschen. „Ich habe in den vergangenen 40 Jahren keinen Kommentar über irgendein Mitglied meiner Familie abgegeben“, bellte er, „und gedenke nicht, damit jetzt anzufangen.“

Offenbar will Charles beim Bücherkrieg mitmischen, weil er sich über Andrew Mortons Diana-Biographie aus dem Jahr 1992 maßlos geärgert hat. In dem Buch, an dessen Entstehung die Prinzessin erheblichen Anteil hatte, kommt der henkelohrige Thronfolger nicht gut weg. Ob die Dimbleby-Gegendarstellung ihn jedoch in ein besseres Licht rückt, ist zu bezweifeln. Die britische Öffentlichkeit fragt sich bereits, ob Charles noch recht bei Trost ist. Immerhin war er schon 32 Jahre alt, als sein Vater ihn angeblich in die Ehe trieb. Verschiedene Boulevardblätter haben ihre LeserInnen auf den Titelseiten gefragt, ob sie einen Waschlappen als König haben wollen.

Den Bücherkrieg kann Charles kaum noch gewinnen. Abgesehen von Anna Pasternaks Buch, das Diana eine fünfjährige Affaire mit ihrem Reitlehrer James Hewitt unterstellt, hat nämlich auch Andrew Morton wieder zur Feder gegriffen. Die Fortsetzung der Diana- Biographie – „Diana: Her New Life“ – erscheint am 8. November. Laut Vorabdruck in der französischen Zeitschrift Voici haben sich Charles und Diana auf eine Scheidung geeinigt. Die Prinzessin soll mit 15 Millionen Pfund (rund 37 Millionen Mark) und ein paar Palästen abgefunden werden. Der Vorabdruck ist übrigens unter dubiosen Umständen zustande gekommen: Teile des Manuskripts sind geklaut worden und konnten in Paris sichergestellt werden. Lesley O'Mara, die Frau von Mortons Verleger, soll in die Sache verwickelt sein.

Für die anglikanische Kirche wäre eine Scheidung, die laut einer Umfrage von 82 Prozent der BritInnen befürwortet wird, kein Problem. John Taylor, der Bischof von St. Albans, sagte, Charles könne trotz Scheidung und erneuter kirchlicher Heirat durchaus König und oberster Hirte der anglikanischen Kirche werden – vorausgesetzt, seine zweite Frau ist keine Katholikin. Die Monarchie sei nicht in Gefahr. Dieser Meinung ist auch Premierminister John Major, der die Monarchie als „Fundament unseres nationalen Lebens“ bezeichnete. Ob das Hilfsangebot vom sinkenden Tory-Schiff im Buckingham-Palast willkommen ist, bleibt fraglich. Schließlich sitzt Majors Partei bis über beide Ohren in der Tinte, nachdem am Donnerstag Staatssekretär Tim Smith zurücktreten mußte, weil er 2.000 Pfund (rund 5000 Mark) von Mohamed Al-Fayed, dem Besitzer des Kaufhauses Harrods, angenommen hatte. Als Gegenleistung mußte er eine Anfrage an das Unterhaus im Sinne Al-Fayeds richten. Er ist freilich nicht der einzige: Die Untersuchung gegen zwei weitere Abgeordnete ist in den Startlöchern steckengeblieben, weil die Labour Party den Parlamentsausschuß boykottiert. Die Tories wollten ihn hinter verschlossenen Türen tagen lassen.

Das Windsor-Solidaritätskomitee will sich das System der Bezahlung für Parlamentsanfragen zunutze machen. Deshalb hier ein Spendenaufruf. Benötigt werden 2.000 Pfund, um mit Hilfe eines gekauften Abgeordneten im Unterhaus die Frage stellen zu können, die uns bewegt: „Wie haben die königlichen Corgi-Hündchen auf die zerrütteten Verhältnisse bei den Windsors reagiert?“ Wir fordern die Veröffentlichung der Berichte des Hunde-Psychiaters! Ralf Sotscheck