Animation der Geldmaschine

Trotz Abwind in Hollywoods Studio-System: Gleich drei neue Produktionsfirmen spekulieren auf die Zukunft der Branche. Man macht in Zeichentrick, Interaktivität, Digitalisierung und neuartiger Distribution  ■ Von Mariam Niroumand

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Coup, den Actionfilm „Crisis in the Hot Zone“, in den Sand gesetzt hatten. Peter Bart, der „Variety“- Mann in Hollywood, ist über die plötzliche Lust von Filmemachern, auch Geschäftemacher zu werden, einigermaßen belustigt. „Mehr und mehr Regisseure stellen plötzlich fest, hoppla! Hollywood ist nicht nur eine Traumfabrik, sondern auch eine Geldmaschine. Wenn Steven Spielberg mit ,Jurassic Park‘ 250 Millionen Dollar machen kann, fragen sich eben James Cameron, die Scotts oder Oliver Stone, warum sie das nicht auch tun sollten. Aber dann kriegen sie mittendrin kalte Füße und lassen einen angefangenen Film fallen wie eine heiße Kartoffel. Vielleicht sollten sie sich vorher ein paar Minütchen nehmen, mal ihr Budget durchzurechnen!“

Daß die Scotts ihr „Hote Zone“-Projekt in den Sand setzten, lag für Bart an dem für diese Art von Unternehmertum wohl bezeichnenden Zustand, daß die Funktionen Regisseur und „Eigentümer“ sich nicht vertrugen, daß Ridley Scott sowohl eine Besetzung mit Robert Redford und Jodie Foster und gleichzeitig nicht zuviel von seinem Geld loswerden wollte. Wenn wir hier nur erst mal solche Probleme hätten!

Heute klingt „United Artists“ wie „Big Mac“, ein Gigantenname mit Stoßflügeln und Ellenbogen, aber seinerzeit, 1919, war der Name eine Art Unabhängigkeitserklärung. Charlie Chaplin, seine Kollegin Mary Pickford, deren Mann Douglas Fairbanks und der Regisseur D. W. Griffith waren entschlossen, sich von branchenfremden Financiers unabhängig zu halten. Was sie brauchten, war eine multifunktionale Einheit, in die Chaplin seine Figuren, Pickford das aufkeimende stardom, Fairbanks seine Genrestücke und Griffith seine technische Virtuosität mit Kamera & Licht einbringen konnten.

1994: Das ganze Jahr über war vom Niedergang der großen Studios und dem unaufhaltsamen Aufstieg der kleinen (New Line, Orion), der Telekommunikationsgiganten und der Computerfirmen in Hollywood gemunkelt worden – die Marktanteile der Majors fielen von 96 auf 86 Prozent.

Nun ist plötzlich wieder von geradezu E.T.-haften Hoffnungsschimmern die Rede. Gleich drei schöne, neue, große Unternehmungen werden vermeldet, eine wuchtiger als die andere. Der Clou: Steven Spielberg, der im Jahre 2000 möglicherweise der reichste Mann Amerikas sein wird; Jeffrey Katzenberg, der aus der Disney- Chefetage lief, als man ihm den Posten des Konzernpräsidenten verweigern wollte; und schließlich der Milliardär David Geffen, der als Rockstar-Manager angefangen hatte und schließlich Platten- und Filmmogul wurde, wollen ein neues Studio gründen. Das noch namenlose Trio will die sieben anderen großen Studios mit zunächst jährlich 250 Millionen Dollar Eigenkapital in Sachen Film, Animation (Katzenbergs Domäne), Fernsehen, interaktive Unterhaltungsindustrie und einem Plattenlabel ausstechen.

Spielberg, der Spieler, will weiterkommen mit der Digitalisierung, speziell auch der Distribution von Filmen, auf CD-Rom für den Hausgebrauch, aber auch bei der Entwicklung von Kinos, die Special effects reproduzieren können, die dem Zuschauer zum Beispiel bei einer Verfolgungsjagd akustische und optische Distanz nehmen. Regisseuren allein wurde auf diesem Sektor bislang wenig zugetraut: an Frank Capra oder Francis Ford Coppola will da niemand gern erinnert werden. Finanzkräftige Neuankömmlinge in Hollywood haben sich deshalb auf andere Strategien knapp unter der Studiogründung verlegt: Rupert Murdoch hat sich bei 20th Century Fox eingekauft, Sony bei Columbia. Andere haben es mit „virtuellen“ Studios versucht, wie Ted Turner, der CNN-Magnat, der Personal, Equipment und Räume für jede Produktion neu least.

Die Chancen der drei Supernasen stehen keineswegs schlecht. Erstens kriselt es in fast allen anderen großen Studios, speziell bei Disney, mit dem die Troika ihre battle royal schon avisiert hat. Nirgendwo im Filmbusineß kann man zur Zeit so viel Geld machen wie im Disneys Domäne Animation, wo die drei besonders stark sein werden. Filme wie „The Lion's King“, den Katzenberg noch für Disney lancierte, sind nicht nur etwas für VaterMutterKind, sondern lassen sich in allen Formen durchspielen, als Video, Plastikfigürchen oder lebensgroßes Hochzeits-Arrangement; die Einnahmen aus dem sogenannten „Merchandizing“ übersteigen längst die vom Kartenverkauf.

„In nur zwei Stunden nach unserer Pressekonferenz sind hier Finanzangebote in Milliardenhöhe eingelaufen“, freute sich Katzenberg, (Microsoft soll dabeigewesen sein) und es hieß, danach habe man gescherzt, welches Land man jetzt kaufen werde (Spielberg: „Is Belize still for sale?“). Katzenberg hat die guten Kontakte zur Wall Street, und man will allenthalben unterstreichen, daß sich das Filmgeschäft eben nicht – wie speziell von Sony und Matsushita vergebens gehofft – mit Verschmelzung von Hardware und Software bestreiten läßt. Persönlichkeiten sollen gefragt sein, United Artists eben.

Spielberg wird seine Produktionsfirma „Amblin Entertainment“ zwar in die Fusion hineinnehmen, aber dennoch weiterhin auch für Universal Filme machen. Nun wiederum heißt es allerdings, Universal, die vor vier Jahren von dem japanischen Konzern Matsushita geschluckt worden waren, könnte wieder zurückgekauft und dann mit Spielberg, Katzenberg und Geffen fusioniert werden ...

Gefährlich nah an Babelsberg rücken zwei andere Projekte, die dieser Tage bekannt wurden. Erstens will Miramax, eine Tochter des in Europa glücklosen Disney- Konzerns, nicht nur französische Filme unters amerikanische Volk bringen (synchronisiert statt untertitelt!), sondern auch selbst in die Produktion gehen. Robert Altmans „Prêt à porter“, Quentin Tarrantinos „Pulp Fiction“ oder Sean Penns „The Crossing Guard“ sind Beispiele für den kleinen, aber erlesenen Output von etwas, das zwar nicht „Studio“ heißen, aber doch zumindest wie Babelsberg funktionieren soll: „Im Gegensatz zu einem richtigen Studio entwickeln wir nicht hundert Filme, um dann zehn zu produzieren, sondern wir fangen elf an und landen dann schließlich bei zehn“, erklärte Miramax-Vize Richard Gladstein.

Schließlich wollen Ridley Scott, der Regisseur von „Blade Runner“ und „Thelma and Louise“, und sein Bruder Tony („Top Gun“, „True Romance“) zusammen mit anderen Investoren bis zum Ende des Jahres die britischen Shepperton Studios gekauft haben, das zweitgrößte britische Filmstudio außerhalb von London, ein Vorkriegsbau von 1936. 15 Millionen Pfund sind avisiert, das Shepperton-Management-Team soll im wesentlichen bleiben, nur im Bereich Postproduction und Marketing (besonders bei transatlantischen Projekten) wollen die Scotts dazulegen. Postproduction wiederum ist genau der Bereich, auf den sich die Studios in Babelsberg spezialisiert haben (siehe Interview auf Seite 14).

Die Aufforderung der Scott Brüder, gerichtet vor allem an europäische Regisseure, die mit größeren Budgets arbeiten wollen, in die Shepperton Studios zu kommen, wird dem gebeutelten Volker Schlöndorff auch nicht behagen. Was den Studios in Babelsberg aber vor allem fehlt, ist das Angebot an Finanzmodi, wie sie den Scotts durch das Londoner Bankhaus Guinness Mahon & Co. Limited zur Verfügung stehen. Den Scotts allerdings steht das Wasser auch bis zum Hals, nachdem sie ihren ersten unternehmerischen

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