Europas Einstieg in die bewaffnete Außenpolitik

■ Klammheimlich richtet sich die Europäische Union einen Verteidigungshaushalt ein / Militärflieger wird finanziert / Labour-Abgeordneter: „Nur der Einstieg“

Brüssel (taz) – Im Haushaltsentwurf, den das Europäische Parlament nächste Woche verabschieden wird, heißt der Posten lapidar „Sicherheitsdimension im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“. Erst der Kommentar im Änderungsentwurf 309 erhellt, was dahinter steckt. Die Europäische Union soll sich im nächsten Jahr mit 10 Millionen Mark an den Entwicklungskosten für das Militärtransportflugzeug ATF/FLA beteiligen – die erste Direktfinanzierung eines Militärprojektes durch die EU. Nachdem der Außen- und Sicherheitsausschuß bereits zugestimmt hat, ist es wahrscheinlich, daß auch das Parlament dafür votieren wird.

Der britische Labour-Abgeordnete Gary Titley, der den Antrag eingereicht hat, läßt keinen Zweifel daran, daß die 10 Millionen für das Langstreckenflugzeug nur der „symbolische Einstieg“ sei. Neben Titley setzten sich im Außen- und Sicherheitsausschuß vor allem die Abgeordneten der Radikalen Fraktion um den französischen Ex- Sozialisten Bernard Tapie für den Militärflieger ein. Sie fordern eine starke militärische Komponente der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, die in Maastricht beschlossen wurde. Nach diesen Vorstellungen soll sich die EU schrittweise an der Finanzierung von Vorhaben der Westeuropäischen Union (WEU) beteiligen. Die WEU, ein seit Jahrzehnten schlummerndes Militärbündnis der EU-Staaten außer Irland und Dänemark, sucht noch ihren Platz zwischen Nato und EU.

Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik taucht im künftigen EU-Haushalt zum ersten Mal überhaupt auf, mit insgesamt 50 Millionen Mark. Bisher wurden Vorhaben in diesem Bereich entweder aus anderen Haushaltstiteln finanziert, oder man reichte unter den Mitgliedsländern der Hut herum. Manche Regierungen würden das gerne dabei belassen, weil auf diese Art und Weise das Europaparlament umgangen wurde. Mit der Einrichtung eines Haushaltstitels hoffen die Europaabgeordneten, endlich auch an der Diskussion über die Außenpolitik der EU beteiligt zu werden.

Die Grünen im Europaparlament registrieren mit Erstaunen, daß ein Fünftel des Budgets, das für die Außenpolitik vorgesehen ist, in ein Militärflugzeug gesteckt werden soll. Wilfried Telkämper, grüner Europaabgeordneter, sieht darin den ersten Schritt zu einer neuen Militärstruktur in Westeuropa. Er fordert das Parlament auf, das Projekt abzulehnen. Den Hinweis, daß mit dem Flugzeug humanitäre Aktionen durchgeführt werden könnten, weist der Abgeordnete als „bodenlosen Zynismus“ zurück. Alois Berger