Nordirland-Gespräche mit Sinn Féin noch in diesem Jahr

■ Major erkennt IRA-Waffenstillstand an

Dublin (taz) – Erste Gespräche zwischen Sinn Féin, dem politischen Flügel der bewaffneten Irisch-Republikanischen Armee (IRA), und Vertretern der britischen Regierung werden vor Jahresende stattfinden. Das gab Premierminister John Major gestern bei einem Kurzbesuch in Belfast bekannt. Im Europa-Hotel, das im vergangenen Vierteljahrhundert knapp 40 Bombenanschläge überstanden hat und erst vor wenigen Wochen mit bruchsicheren Scheiben ausgerüstet worden ist, sagte Major, er gehe jetzt davon aus, daß die IRA „die Waffen für immer niedergelegt“ hat – auch wenn die Organisation das nicht explizit gesagt habe. Ein definitiver Waffenstillstand war immer Vorbedingung für Gespräche gewesen.

Bereits am Morgen hatte Nordirlandminister Patrick Mayhew das seit Jahren bestehende Einreiseverbot für Sinn-Féin- Präsident Gerry Adams und seinen Stellvertreter Martin McGuinness aufgehoben. Auch die 88 Verbindungsstraßen zwischen der Republik Irland und Nordirland, die noch durch Betonpfeiler versperrt sind, sollen demnächst freigegeben werden.

McGuinness begrüßte Majors Rede. Die britische Regierung zeige nun doch „so etwas wie Vorstellungsvermögen“. Gary McMichael von der Progressive Unionist Party, die den paramilitärischen Loyalisten-Organisationen nahesteht, warnte jedoch, daß die angekündigten Maßnahmen als „Konzession an die IRA“ gesehen werden könnten. Der radikale Protestantenpfarrer Ian Paisley beschuldigte Major gar des Wortbruchs. John Hume von den nordirischen Sozialdemokraten entgegnete darauf, daß es unter anderem Paisleys Taktik der Ablehnung und Angstmache gewesen sei, die eine politische Lösung in Nordirland bislang verhindert habe. Ralf Sotscheck