Voller Chor aus einer Stimme

■ Das Duo Maria Joao / Mario Laginha zauberte im Übersee-Museum eine theatralische tour de force / Lieder wie Hörspiele

Sehen konnte man nur zwei Menschen auf der Bühne: die Sängerin und den Pianisten – beide streng in schwarz gekleidet vor der exotischen Kulisse des Lichthofs des Überseemuseums. Hören konnte man dagegen viel mehr Personen, denn Maria Joao inszenierte die meisten ihrer Lieder wie Hörspiele, und diese bevölkerte sie mit den unterschiedlichsten Charakteren: ein kleines Mädchen, ein schimpfener Mann, ein verführerischer Vamp und ein versoffener Kneipengänger – all diese Figuren und noch viel mehr erschuf die Sängerin nur mit ihrer Stimme – nicht einmal mit Worten, den meist sang sie nur einzelne Silben und Vokale. Es war wie der Gegenpol einer Pantomime: die Darstellung von Szenen nur mit Gesang und verblüffenden Vokaltechniken.

Bei dieser überbordenden theatralischen tour de force wurde aber nie die Musik von den vokalen special effects in den Hintergrund gedrückt. Zusammen mit Mario Laginha hielt Maria Joao immer eine feine Balance zwischen der das Publikum verblüffenden Technik und den rhythmischen und melodischen Finessen der Kompositionen. Bei all der Abenteuerlust spielten die beiden auch immer ganz präzise miteinander – eher als gleichwertige Partner denn in der traditionellen Rollenverteilung der Sängerin und ihres pianierenden Begleiters.

So bekam Langinha viel Raum für seine rhapsodischen Pianoexkursionen. Wenn er solo spielte, verlor das Konzert allerdings von seiner konzentrierten Spannung, den anders als bei Joao konnte man bei dem Pianisten schnell die Vorbilder heraushören: Keith Jarrett ist eindeutig sein Held und er konnte es sich nicht verkneifen, daß Piano pathetisch donnern zu lassen wie dieser in seinen schlimmsten Solokonzerten. Zum Glück hat Langinha auch einiges von Chick Corea gelernt, und deshalb klang er meist phantasievoll freundlich.

Die im Programm angekündigten „Songs from Portugal“ waren nur die Startpunkte für die musikalischen Abenteuer der beiden Musiker – beide schwebten schon bald in schönster Jazztradition frei über den Melodien. Über 90 Minuten lang gelang es ihnen, das Publikum durchgehend zu überraschen und zu fesseln. So gab es etwa eine rhythmisch hochkomplizierte Solopassage, bei der Joao nur ein- und ausatmete. Wohl kaum einer der begeisterten ZuhörerInnen hatte schon einmal solch ein musikalisch raffiniertes Naseschnauben gehört.

Willy Taub