„Leute wie ich sind bitter nötig“

■ Bremens siebte Bundestagsabgeordnete wurde in Sachsen-Anhalt gewählt: Die Soziologin Heidi Knake-Werner (PDS) – ein politisches Portrait

„Ich bin so ein Typ: Lieber kämpfe ich bis zum Geht-nicht-mehr, als die Sachen einfach hinzuschmeißen.“ Zweimal hat Heidi Knake-Werner in ihrem politischen Leben nach diesem Motto schon durchgehalten, erst in der SPD, dann in der DKP – und beide Male länger, als es eigentlich gut gewesen wäre. Doch jetzt hat sich die Beharrlichkeit ihrer politischen Lebenslinie doch noch ausgezahlt: Am 16. Oktober ist die 51jährige Soziologin auf der Liste der PDS in den Bundestag gewählt worden. Neben Konrad Kunick, Ilse Janz und Volker Kröning für die SPD, Bernd Neumann und Michael Teiser für die CDU und Marieluise Beck für die Grünen ist Heidi Knake-Werner die siebte Bremer Bundestagsabgeordnete für die nächsten vier Jahre.

Ihr Wahlkreis liegt allerdings weitab vom Bremer Steintor-Viertel, in dem sie seit 1983 lebt. Im tiefschwarzen Südharz am äußersten Rand der ehemaligen DDR hat Knake-Werner es als zugereiste Direktkandidatin geschafft, die Stimmenzahl der PDS gegenüber 1990 zu verdoppeln – das zweitbeste Ergebnis im Osten. Zuvor hatte sie sich in einer Kampfabstimmung gegen einen Einheimischen durchgesetzt. Für das Bundestagsmandat war sie mit Platz drei der PDS-Landesliste in Sachsen-Anhalt abgesichert worden.

„Die Probleme im Osten sind mir nicht neu“, begründet sie ihren Erfolg. Schließlich gebe es Massenarbeitslosigkeit und ihre sozialen Folgen im Westen seit Anfang der 80er Jahre. Damals war sie gerade im Ablösungsprozeß von der SPD, für die sie vier Jahre lang als stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Oldenburger Stadtrat gesessen hatte. Ein Ar-beitskreis, in dem mehrere SPD-Mitglieder mit der damals in Oldenburg starken DKP kooperierten, führte schließlich zu einem Parteiausschlußverfahren, dem Knake-Werner durch ihren Austritt zuvorkam.

Als zur Hochzeit der Berufsverbote dann auch die Versuche der demonstrativ in die DKP eingetretenen Soziologin immer schwieriger wurden, an der Oldenburger Universität Arbeit zu finden, wechselte Knake-Werner 1983 nach Bremen und wurde hauptamtliche Mitarbeiterin des DKP-Bezirksvorstands, zuständig für Landespolitik und Öffentlichkeitsarbeit.

Ihre zweite Ablösung von einer Partei begann dann 1987 in Moskau, als sie für ein Jahr zum „Grundlagenstudium“ an die Akademie der KPDSU geschickt wurde. „Ich habe da tatsächlich Grundlagen studiert, aber nicht die des Marxismus-Leninismus, sondern des Stalinismus“, erinnert sie sich heute. Als „wahnsinnig spannend“ und „echten Schlag ins Kontor“ erlebte sie die Auseinandersetzung mit den dank Gorbatschows Glasnost öffentlich diskutierten Dokumenten stalinistischer Verfolgung.

Doch auch nach ihrer Rückkehr verließ sie die Partei nicht, sondern schlug sich in der DKP auf die Seite der „Erneuerer“ – „bis zum Geht-nicht-mehr“ im Dezember 1989. Erst nachdem mit der Mauer auch Ideologie und Finanzierung der DKP zusammenstürzten, gab die komplette Belegschaft des Bremer Bezirkssekretariats das Parteibuch ab. „Du mußt wirklich tief verletzt und enttäuscht sein, um den Absprung zu schaffen“, sagt sie heute. Schließlich blieben auch ihre „liebsten und besten Freunde“ bis zum bitteren Ende in der DKP, „und das waren doch alles kluge Menschen“.

Für Heidi Knake-Werner folgte eine kurze Umschulung zur Sozialmanagerin. Doch schon im Dezember 1990 machte sie wieder hauptamtlich Politik – als Bundestagsmitarbeiterin der PDS-Abgeordneten Petra Bless. Wenig später folgte die Wahl in den PDS-Bundesvorstand. „Zu meinen Leben gehörte immer Politik, ich kann das nicht lassen. Und es ist in der Politik bitter nötig, daß es so Leute wie mich gibt.“ Eine Denkpause habe sie nach dem Zusammenbruch der DKP nicht gebraucht. Und so stürzte sie sich von Anfang an in das „total spannende Projekt PDS“. In den Diskussionen der ehemaligen SED-Mitglieder fand sie ihre eigene Geschichte wieder: „Indirekt haben wir auch unsere Vergangenheit aufgearbeitet. Schließlich war die DKP ein Anhängsel der SED.“

Auch der Kampf für Frauenfragen verbindet ihre neue mit der alten Partei. „Es macht mich rasend, daß wir in der Bonner Fraktion jetzt keine Quote hingekriegt haben“, sagt Knake-Werner, die sonst auch nach eigener Einschätzung „eher zu den ausgleichenden“ FunktionärInnen ihrer Partei gehört. Neben der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik soll die Frauenpolitik zu ihrem Schwerpunkt werden.

Neben der Arbeit in den Bonner Büros und ihrem Wahlkreis im Harz will Knake-Werner auch „als Bremer Abgeordnete“ auftreten. Noch hat sie keinen Kontakt zu den sechs anderen aufgenommen, „aber mit Marieluise Beck und Ilse Janz ist das sicher kein Problem“. Auch auf den Namen Bernd Neumann ist sie bereits gestoßen – auf einem Klingelschild bei der Wohnungssuche in Bonn. In eines der „Abgeordneten-Wohnsilos“ will Knake-Werner nämlich nicht ziehen. „Für mich ist es wichtig, auch mal zehn Leute zum Essen einladen zu können. Sonst gehst Du ein wie ein Primelpott.“ Für sie gehören Politik und Freundschaft eng zusammen. Und sie hat sich schon „manche Beule“ geholt, wenn sich herausstellte, daß manchem Politik über Freundschaft ging.

Auch deshalb möchte Knake-Werner die „Aufarbeitung der Vergangenheit“, von der sie bei der PDS so überzeugt ist, lieber nicht allzu persönlich betreiben. Wer im Bremer DKP-Bezirkssekretariat dem Verfassungsschutz oder der Stasi zugearbeitet hat? – „Ich will es gar nicht wissen“, sagt sie, „was würde das für mich heute noch bedeuten?“. Aufarbeitung versteht sie als Reflexion der „politischen Fehler und Fehleinschätzungen“, nicht der menschlichen. Außer dann, wenn wie im Fall der stellvertretenden PDS-Vorsitzenden Kerstin Kaiser die Stasi-Vergangenheit zum Thema der aktuellen Politik wird: „Kerstin hätte sich klarmachen müssen, wie sehr sie der Partei damit schadet.“ Dirk Asendorpf