Mit den Sendemasten auf Du und Du
: Wofür braucht Radio Bremen die Mittelwelle?

■ Interview mit dem Rundfunk-Experten Prof. Reimers zum den technischen Hintergründen des Sendeturm-Streits

Rund 30 Millonen Mark an Rundfunk-Gebühren und bremischen Steuergeldern sollen ausgegeben werden, um im Landschaftsschutzgebiet Wümmewiesen neue Radio-Bremen-Sendetürme zu bauen, damit auf den Flächen unter den alten Sendetürmen Gewerbe angesiedelt werden kann. Radio Bremen ist nicht abgeneigt, neu zu bauen – die alten Türme haben bald sowieso ausgedient und die neuen sollen erheblich höher gebaut werden. Solange Bremen das Interesse hat, die Flächen unter den alten Türmen möglichst schnell frei zu bekommen, läßt sich ein Teil der Kosten auf die Staatskasse abwälzen.

Aber: Würde der Sendeturm der Telekom in Walle nicht auch für die Radio-Bremen-Programme ausreichen? Muß es überhaupt neue Sendetürme geben? Intendant Klostermeier sagt: Ja. Erstens will er den Turm in den Wümmewiesen 100 Meter höher bauen als der Telekom-Turm ist. Zweitens hat Radio Bremen überkommene Senderechte, die der Sender nicht aufgeben will. Drittens und vor allem: UKW-Programme und Fernsehen wären kein Problem, die Mittelwellen-Programme aber könnten aus technischen Gründen nicht vom Telekom-Turm in Walle aus gesendet werden – und Alternativen dazu sind unsicher und teuer. Und die Mittelwelle, so Klostermeier zur taz (vgl. taz ), könnte bald der Frequenzbereich sein, auf dem die digitalen Hörfunk-Programme ausgestrahlt werden. Wenn Radio Bremen darauf verzichten würde, seine UKW-Programme gleichzeitig auch über Mittelwelle abzustrahlen, gäbe es kaum noch ein gutes Argument gegen den Telekom-Turm und der Sender könnte jährlich über 1,5 Millonen sparen.

In den kleinen Kreisen der Medienfachleute werden diese Argumente heftig debattiert. Demnächst wird auch der Koalitionsausschuß damit befaßt, weil der Umweltsenator sich weigert, die Planungen für den Neubau schnell voranzutreiben.

Radio-Bremen-Programme weit über Hannover hinaus hörbar zu machen, wäre sicherlich nicht die Millionen für die neue Sendetürme und die Eingriffe in den Landschaftsschutz wert. Die Frage der Senderechte ist eine rechtliche und also durch Vertrag regelbar. Was bleibt, ist das technische Argument der Mittelwelle. Dazu befragten wir Prof. Ulrich Reimers, den früheren Technischen Direktor des NDR und derzeitigen Leiter des Instituts für Nachrichtentechnik an der TU Braunschweig.

In Bremen gibt es einen Konflikt um die Frage, ob man neben dem Telekom-Turm noch einen zweiten Radio-Bremen-Turm braucht. Reicht für eine flache Großstadt nicht ein Sendeturm?

Prof. Reimers: Das Problem ist multidimensional. Das hängt zusammen mit Antennenausrichtung, mit Landesmedienrecht, mit Bundesmedienrecht, mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil – die Frage kann ich Ihnen nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten.

Ist es denkbar, daß der digitale Hörfunk über Mittelwellen-Frequenzen abgestrahlt wird?

Das ist denkbar, aber nicht absehbar.

Was heißt das?

Das, was zur Zeit an Einführungenplanungen existiert, richtet sich auf Frequenzbereiche sogar oberhalb des UKW-Bereiches, d.h. im Fernsehbereich oder sogar noch darüber hinaus. Die derzeit laufenden Planungen für die Einführung des digitalen Hörfunks haben alle zu tun mit dem Ersatz des UKW-Hörfunks, nicht aber des Mittelwellen-Hörfunks. Rein technisch wäre denkbar, daß der Mittelwellen-Hörfunk auch digital werden könnte, aber es gibt keine Planungen für so etwas.

Ist das Abstrahlen von UKW-Programmen auf Mittelwelle nicht reine Stromverschwendung heute?

Jede Landesrundfunkanstalt definiert derzeit die Mittelwelle für sich neu, aber die Mittelwelle wird von vielen weiter genutzt. Die Mittelwelle ermöglicht die Übertragung anderer Programmanteile. Ganz typisch: Bundestagsdebatten, Ausländerprogramme, ausführliche Berichterstattung von Sportveranstaltungen. Damit würden Sie ein UKW-Programm nicht belasten.

Warum?

Wenn Sie die Hansawelle belasten würden mit Übertragungen aus dem Bundestag, gingen Ihnen die Hörer der Hansawelle verloren.

Das heißt: Mittelwelle ist die technische Senfeform für Minderheitenprogramme?

So ist das.

Und wenn man die Hansawelle über UKW hören kann, macht es da Sinn, sie auch über Mittelwelle zu übertragen?

Nein. Ich denke aber, das macht Radio Bremen schon garnicht mehr. Interview.: K.W.

Grundsätzlich: Wenn Sie irgendwas ausstrahlen, strahlen Sie es um so weitreichender aus, je höher der Punkt ist, von dem Sie ausstrahlen. Wenn man aber Mittelwelle digitalisieren würde, dann braucht man keine hohen Sendetürme, dann braucht man spezielle Antennenanlagen, Netze, Reusen, Drahtverhaue...

Und für UKW-Übertragung?

Da brauchen Sie einen hohen Mast, wie die Telekom zum Beispiel einen hat in Bremen, und da oben drauf setzen Sie ihre Antennen. Die digitale Übertragung wird mit Antennen passieren, die man heute fürs Fernsehn einsetzt. Int.: K.W.