„Rumpfprogramm“ für U-Bahn und Tram

■ Finanzmisere im Öffentlichen Nahverkehr: Bis 2002 fließt mehr als die Hälfte aller Gelder in die U 5 unterm Tiergarten

Beim Bau von U-Bahn- und Tram-Linien kommt es zu drastischen Streichungen: Bis zum Jahr 2002 ist nur noch ein „Rumpfprogramm“ für den Ausbau und die Verknüpfung der bestehenden Netze bei U-, S- und Straßenbahn möglich, heißt es in einer Senatsvorlage. Vom Senat bereits angekündigte Eröffnungstermine seien nicht mehr zu halten. Betroffen sind nach Informationen der taz sogar die Verlängerungen der U-Bahn-Linie 1 über die Oberbaumbrücke (Schlesisches Tor bis Warschauer Brücke) und der Straßenbahn-Linie 23 vom Prenzlauer Berg bis zum U-Bahnhof Osloer Straße im Wedding. Deren Eröffnung muß offenbar um ein Jahr auf Ende 1996 verschoben werden.

Hintergrund der Finanzmisere sind die Planungen im Zusammenhang mit dem Zentralbahnhof im Tiergarten. Der Tunnel der U 5, die den neuen Lehrter Bahnhof mit dem Alexanderplatz verbinden soll, frißt mehr als die Hälfte aller Gelder, die zwischen 1995 und dem Jahr 2002 für Investitionen im U- und Straßenbahn-Bereich zur Verfügung stehen. Die U 5 kostet nach Angaben der Verkehrsverwaltung 1,7 Milliarden Mark. Insgesamt stehen für U-Bahn und Tram mit 382 Millionen Mark aus dem Landeshaushalt, 2,07 Milliarden aus dem Bundeshaushalt und 295 Millionen Mark im Rahmen des Hauptstadtvertrags aber nur 2,75 Milliarden Mark zur Verfügung.

Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) steckt deshalb in großen Schwierigkeiten: Mit der verbleibenden einen Milliarde Mark muß der Senator die Sanierung des Straßenbahnnetzes (500 Millionen Mark) und die Instandsetzung des Ostberliner U-Bahn-Netzes (600 Millionen Mark) bezahlen – soll es nicht zu Streckenstillegungen kommen. Für die geplanten Neubaustrecken der Tram (700 Millionen Mark), die Verlängerung der U 2 nach Pankow Kirche (215 Millionen Mark), der U 5 von Jungfernheide bis Flughafen Tegel (412 Millionen Mark) und der U 7 bis Flughafen Schönefeld (300 Millionen Mark) ist damit kein Pfennig mehr übrig.

Haase hatte bereits vergangene Woche der taz mitgeteilt, daß er auch im Zusammenhang mit den Finanzproblemen beim Autotunnel unter dem Tiergarten dem Finanzkabinett über die Konsequenzen Bericht erstatten werde. Was mit dem Wort „Rumpfprogramm“ gemeint ist, wollte sein persönlicher Referent Carl Hennig vor einer Unterrichtung des Finanzkabinetts und des Hauptausschusses nicht erläutern.

Mit einer Finanzpolitik, bei der sowohl im Straßenbau wie im Öffentlichen Nahverkehr für die gesamte Stadt weniger bleibe als für den Zentralen Bereich, werde die Spaltung der Stadt zementiert, werfen dagegen Bündnis 90/Die Grünen dem Senat vor. Die Große Koalition, sagte der verkehrspolitische Sprecher Michael Cramer, treibe den Schuldenberg der Stadt unnötig ins Unermeßliche. Er fordert neben dem Verzicht auf den Straßentunnel auch, die U 5 zu streichen und durch eine Straßenbahn zu ersetzen. Cramer erinnerte an einen Beschluß der SPD, mit der sich die Partei gegen den Bau der U 5 entschieden hat. Dirk Wildt