90 Milliarden Mark für Japans Bauern

■ Die Tokioter Regierungsparteien unterstützen die überalterte Landbevölkerung als Ausgleich fürs Gatt

Tokio (taz) – Kaum ein Jahr ist vergangen, seit die Regierung von Morihiro Hosokawa unter anhaltenden Bauernprotesten eine Mutprobe bestand, die ihr damals niemand zugetraut hatte: Hosokawa öffnete Japans Reismarkt für weiße Körner aus aller Welt. Damit ebnete er den Weg zum erfolgreichen Abschluß des neuen internationalen Zoll- und Handelsabkommen (Gatt). Doch waren die japanischen Bauerndemonstrationen deshalb umsonst gewesen?

Ganz im Gegenteil. Mit einem selbst für die umsorgte japanische Landwirtschaft großzügig anmutenden Subventionsplan über 90 Milliarden Mark will die Tokioter Regierung nun die tapferen Reisbauern für ihre Widerspenstigkeit belohnen.

Das Geld soll, über sechs Jahre verteilt, zu einer „Reform der japanischen Landwirtschaft“ führen, indem vor allem mehr Straßen, Wasseranlagen und öffentliche Einrichtungen auf dem Land gebaut werden. Allein für solche Investitionsprojekte werden in den nächsten Jahren annähernd 55 Milliarden Mark zur Verfügung gestellt.

Damit wird allerdings weniger die unmittelbare landwirtschaftliche Produktion unterstützt als vielmehr die in Japan schnell alternde Landbevölkerung, die heute zwar über Reisfelder, aber nur in seltenen Fällen über Altersheime und andere Sozialeinrichtungen in ihrer Reichweite verfügt.

„Das Paket soll die Ängste der japanischen Reisbauern vor dem Kollaps beseitigen, die sie durch die Öffnung des Reismarktes bekommen haben“, begründete Landwirtschaftsminister Taichiro Okawara die zusätzlichen Subventionen. Den Bauern kam dabei zugute, daß Okawara zu den führenden Mitgliedern der seit dem Sommer wieder regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) gehört, die den Großteil ihrer Wahlklientel auf dem Land findet. Nicht anders geht es den mitregierenden Sozialdemokraten unter Premierminister Tomiichi Murayama, der zusammen mit der LDP den Subventionsvorschlag des Finanzministeriums verdoppelte und damit die sonst stets bezweifelte Durchsetzungskraft der japanischen Politiker gegenüber der Bürokratie unterstrich.

LDP und Sozialdemokraten bestätigten damit freilich ihre Rolle als Interessenvertreter einer aussterbenden Bevölkerung. So fiel etwa in der Präfektur Gunma, einer traditionellen Reisprovinz unter Kontrolle der LDP, der landwirtschaftliche Produktionsanteil seit 1960 von 43 auf 10 Prozent. Die in Gunma heimische Seideindustrie reduzierte ihren Produktionsausstoß seit 1980 auf ein Fünftel. Von fünf Bauern in der Präfektur sind heute zwei über 65 Jahre alt. In diesem Jahr wählten in Gunma gerade noch 85 Schulabgänger einen landwirtschaftlichen Beruf. Neue Jobs gibt es dafür in den 33, oft neu ausgewiesenen Skigebieten. Sie aber sollen von den Subventionen nicht profitieren. Georg Blume