Schuldig im Sinne der Polemik

■ Klein oder nicht klein: Ein Prozeß um drei Kilo Shit Von Sannah Koch

Kleinigkeiten und Polemiken, Politiker und Behördenmenschen mit gewagten Sprüchen und mittendrin ein kleiner Fisch mit großen Schulden – in Gerichten wächst manches zusammen, was nicht zusammengehört. Was zum Beispiel hat der 25jährige Landwirt Cord F. mit dem Hamburger Drogenbeauftragten Horst Bossong gemein? Oder der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft Rüdiger Bagger mit dem CDU-Politiker Sieghard-Carsten Kampf? Sind sie alle Opfer, Täter oder Statisten einer Intrige, die ihren Anfang vor einer Lübecker Strafkammer nahm?

Eins ist sicher – das Ganze hat mit Haschisch zu tun. Mit einer großen Menge des Rauschmittels, die jetzt als kleine Menge bezeichnet werden darf. Vier Kilogramm Shit, so hat nämlich vergangene Mittwoch der Lübecker Richter Hartmut Schneider geurteilt, könne man als „geringe Menge“ bezeichnen, der Handel mit derselben sei deshalb nicht länger Verbrechen, sondern nur Vergehen.

Also nur eine Kleinigkeit, der sich der gestern vor das Hamburger Amtsgericht zitierte Cord F. schuldig gemacht hat. In diesem Frühjahr, so gestand er dem Richter, habe er sich an der Einfuhr von drei Kilo Haschisch aus Spanien beteiligt.

Aber was dem einen klein erscheint, ist es dem anderen noch lange nicht. Staatsanwaltschafts-Sprecher Bagger scheint jedenfalls nicht einverstanden mit dem Lübecker Urteil zu sein. Er machte zumindest die Hamburger Pressevertreter auf den ähnlich gelagerten Prozeß gegen Cord F. aufmerksam. „Jetzt will Hamburg zeigen, daß es nicht Lübeck ist“ – für Rechtsanwältin Barbara Hüsing (empört) stand gestern fest: Ihr Mandant soll zum Spielball rechtspolitischer Fragen gemacht werden. Und das ist wahrlich keine Kleinigkeit. Doch ihr Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wurde als solche behandelt und abgelehnt.

Groß ist hingegen die Aufregung um den Lübecker Richterspruch, vornehmlich bei christdemokratischen Politikern. Hamburgs CDU-Abgeordneter Kampf schäumt jedenfalls: „Wer den Besitz von vier Kilogramm als Kleinigkeit einstuft, arbeitet ausschließlich der Drogenmafia in die Hand.“ Jetzt müsse offengelegt werden, welche Rolle der Hamburger Drogenbeauftragte in diesem Prozeß gespielt hat, forderte Kampf von Hamburgs Gesundheitssenatorin. Der Beauftragte ein Handlanger der Händler? Ein großer Fall für die Anklagebank?

Statt dessen wurde gestern nur ein kleiner Fisch geboten. Einer, der sich „irgendwie ärgert, weil er nie was mit Drogen zu tun gehabt hat“. Bis auf die Kleinigkeit mit den drei Kilo aus Spanien. Für die er bei Hamburger Bekannten 15.000 Mark besorgt und damit einen Freund nach Spanien geschickt hatte, der dies wiederum einem Mittelsmann übergab.

Weder Cord F. noch sein Freund wollen aber gewußt haben, wieviel Stoff sie für das Geld erhalten würden. Etwas über drei Kilo waren es schließlich, die zum Osterfest über die Grenzen geschmuggelt wurden. 2000 Mark hatte Cord F. sich von dem Deal erhofft, ein bescheidener Ertrag angesichts der 250.000 Mark Schulden, die ihn drücken.

Keine geringe Menge also, die er noch abzutragen hat – unabhängig davon, welche Größe das Gericht bei der Urteilsverkündung am kommenden Montag gegenüber Kleinigkeiten zeigen wird.