Freche Früchtchen?

■ Zehn Jahre "Debüt im Dritten": Ein (selbst)kritischer "Blick nach vorn im Zorn" um 22.20 Uhr in Südwest 3

Mit Rainer Werner Fassbinder starb der deutsche Film vor nunmehr einer Dekade. Neben dem „Kleinen Fernsehspiel“ (ZDF) bemüht sich seit genau dieser Zeit nur noch der Südwestfunk mit seiner Reihe „Debüt im Dritten“ systematisch um den Nachwuchs. „Blick nach vorn im Zorn“ ist ein Rückblick, in dem fünf Debütanten dieser Reihe ein Resümee ziehen. Unfreiwillig selbstkritisch ist dieser Film von Angela Scheele und Christof Granderath, weil diese fünf Regisseure mit Ausnahme von Nico Hoffmann faktisch nichts zu sagen haben.

Sönke Wortmann ist zweifellos der Baden Badener Shooting-Star. 1988 debütierte er mit seiner Film- im-Film-im-Film-Komödie „Drei D“ – und hat seither immer denselben Film gemacht. Seine handwerklich bieder gestrickten Lachnummern basieren sämtlich auf dem Konflikt zwischen Zeitgeist und ungeschminkter Wirklichkeit. Die Enkel entdecken Opas Kino. Und es funktioniert prächtig: man kann, wie Reinhold Beckmann in „No Sports“ treffend bemerkte, „ablachen“.

„Wir begreifen Film eher als Unterhaltungsmedium“, sagt Wortmann zusammenfassend zu seiner Arbeit. „Wir“, das sind Absolventen der Münchner Filmhochschule, zu denen auch Südwest-3-Debütant Nikolai Karo gehört, der 1990 mit „Der Kameramann“ keinen Erfolg hatte und deswegen in die Werbung ging (wo übrigens viele Debütanten landen). Mit finanziellem Erfolg dreht Karo diese butterweichen C&A- Spots, in denen ein Zeppelin vorbeifliegt, derweil es den jungen, schönen Menschen gutgeht.

Als einer der ersten debütierte 1985 Sebastian Lentz mit „Schleuse 17“. Selbstkritisch räumt Lentz vor der Kamera ein, daß er nicht die Spur von Talent besitzt. Sein Film sei einfach unfilmisch und schlecht. Lentz machte trotzdem Karriere, mittlerweile ist er Sat.1-Unterhaltungschef und in dieser Funktion unter anderem verantwortlich für eine hinlänglich bekannte, fruchtige Strip-Show: Debüt im Dritten – the making of „Tutti Frutti“?

Die Talentschmiede des Südwestfunks ist ein Baum, der viele faule Früchte hervorbrachte: Otmar Hitzelberger debütierte 1986 mit „Kranke Männer“. Heute hat er eine Filmproduktions-Firma in Frankfurt und rühmt sich, den Besitzer eines Naturkostladens bei mir um die Ecke mit Geld dazu überredet zu haben, seine Räumlichkeiten für den Dreh eines „Valensina“-Werbespots zur Verfügung gestellt zu haben. Aus der Reihe fallen Nina Grosse und Nico Hoffmann. Aber die haben das Schießpulver auch nicht neu erfunden. Philip Grönings „Die Terroristen“ fand immerhin Beachtung im Kanzleramt.

Einer der wenigen wirklich beachtlichen Regisseure aus der Debüt-Reihe ist Gert Steinheimer, der nicht zufällig aus einer anderen Generation stammt, als man noch so altmodisch war und noch etwas zu sagen hatte. Wortmann und Karo können als Absolventen der Filmhochschule zwar (halbwegs) ihr Handwerk. Doch das Problem „Was wollen wir eigentlich erzählen?!“ spiegelt sich deutlich in ihren Aussagen vor der Kamera: Sie präsentieren sich als langweilige Eierköpfe, die ständig von MTV reden, wo sie ihre eigene – von finanziellem Erfolg gekrönte – Unfähigkeit meinen. Zehn Jahre „Debüt im Dritten“ sind nicht nur ein Grund zum Feiern. Diese resignative Selbstkritik klingt in Granderaths und Scheelers „Blick nach vorn im Zorn?“ ganz am Ende wenigstens zwischen den Zeilen an: „Eine verspätete Generation, eher zahm als zornig“ debütierte im Dritten. Man muß nehmen, was kommt, denn „Filmemacher kann man nicht erfinden; Filmemacher kann man nur entdecken. Der Talentschuppen ,Debüt im Dritten‘ leistet dies mit wenig Geld seit zehn Jahren mit erstaunlichem Erfolg. Selbst wenn sich der jüngere deutsche Film auch über diese Nachwuchsreihe hinaus heute merkwürdig perspektivlos präsentiert“. Zitatende!

Diese „Perspektivlosigkeit“ der „Talentschmiede“ koinzidiert nicht zufällig mit den Legislaturperioden der christlich-liberalen Koalition, die uns den Segen des Privatfernsehens brachte: „Im Zeitalter einer Sintflut von Bildern und Tönen“, heißt es abschließend, „haben viele dieser Generation der Mittedreißigjährigen zumindest bisher ihren Weg noch nicht gefunden.“ Oder gerade doch? Manfred Riepe