„Damit sie sich nicht im Land verteilen“

■ Seit einer Woche ist in den Niederlanden das beschleunigte Asylverfahren in Kraft / Abgelehnte sollen festgesetzt werden

Den Haag (taz) – Der Rechtsanwalt aus Breda hatte das Gefühl, als sei er durch einen Luftfahrtstreik auf einem Flughafen gelandet. „Überall lagen Menschen in Schlafsäcken. Für Familien mit Kindern wurde nach einem anderen Schlafplatz gesucht. Das war kein angenehmer Anblick.“ R. Bom hielt im niederländischen Rijsbergen, einem der beiden Anmeldezentren für Asylsuchende, Sprechstunde. Seit einer Woche versuchen die Niederlande innerhalb von 24 Stunden zu entscheiden, wer eine Chance auf ein Asylverfahren hat. Asylsuchende müssen bei negativem Bescheid das Land umgehend verlassen.

Am ersten Tag der neuen Regelung meldeten sich gleich 400 Asylsuchende bei der Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde. Sie kamen aus einigen der 80 niederländischen Asylbewerberheime, die am Rand ihrer Aufnahmekapazität stehen. Drei Busse mit 150 Asylsuchenden mußten im Meldezentrum Rijsbergen wieder umkehren. In Zevenaar quartierte man 100 Asylsuchende notdürftig in einen Festsaal ein. Die Presse erhält in den Anmeldezentren keinen Zugang. Justiz und Rechtshilfe gehen davon aus, daß am Tag nicht mehr als 75 Anträge bearbeitet werden können. Das Flüchtlingswerk vermutet, daß noch rund 1.000 Asylsuchende in Hotels und Pensionen auf ihr erstes Asylgespräch warten. Bis Ende September haben sich in den Niederlanden in diesem Jahr 40.000 Asylsuchende gemeldet, 15.000 mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Wöchentlich treffen etwa 1.500 ein, bis Jahresende wird mit 55.000 Asylsuchenden gerechnet. Ein Gesetz über „Sichere Drittländer“ ist für 1995 geplant, doch befinden sich in Den Haag die Koalitionsparteien derzeit darüber im Streit. In den überbelegten Asylheimen halten sich derzeit auch etwa 9.000 abgewiesene Asylbewerber auf, weitere 8.000 sind in Wohnungen der Gemeinden untergekommen. 1.250 der Abgewiesenen sollen nun in einem Nato- Depot in Ter Appel festgesetzt werden, „damit sie sich nicht im Land verteilen“, so die Regierung. Da das Depot erst in einen knappen Jahr verfügbar ist, soll auf dem Gelände zunächst ein Asylheim errichtet werden, das später in eine „geschlossene Justizunterkunft“ umgewandet werden kann. Harald Neckelmann