: Zu spät gezogen, Pech gehabt
Planungsfehler der Bundeswehr dürfen nicht dazu führen, daß Wehrpflichtige noch nach dem 25. Lebensjahr zum Bund müssen / Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ■ Von Hans-Hermann Kotte
Berlin (taz) – Wehrpflichtige dürfen nicht aus Gründen der Planungstaktik oder wegen Planungsfehlern der Bundeswehr länger als bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einberufen werden. Das geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf hervor, das laut der Bremer Zentralstelle KDV die erste Entscheidung zum neuen, seit Juni geltenden Einberufungsrecht ist.
Das Urteil bezieht sich auf einen 26jährigen Mann, der zum 4. Oktober 1994 einberufen werden sollte. Das Verwaltungsgericht hob diese Einberufung Anfang September als rechtswidrig auf, wogegen die BRD, vertreten durch die Wehrbereichsverwaltung, Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt hat. Dort ist diese Sache unter dem Aktenzeichen 8 C25/94 anhängig.
Das reformierte Wehrpflichtgesetz sieht vor, daß Wehrpflichtige bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zu dienen haben. Abweichend davon müssen sie in Ausnahmefällen bis zum 28. Lebensjahr zum Bund, wenn sie „wegen einer Zurückstellung“ (Hochschulstudium etc.) nicht gezogen werden konnten und „der Zurückstellungsgrund zum Zeitpunkt des vorgesehenen Dienstbeginns entfallen ist“. Diese Regelung soll den Mißbrauch von „Wehrdienstausnahmen“ verhindern.
Im vorliegenden Fall des mehrmals zurückgestellten Mathestudenten greift die Regelung laut Verwaltungsgericht jedoch nicht. Grund: Der junge Mann hätte durchaus vor Vollendung seines 25. Lebensjahres gezogen werden können, weil er nicht „dauerhaft“ zurückgestellt gewesen sei. Zwischen 1987 und 1989 habe er – noch nicht zurückgestellt – zur Verfügung gestanden, sei aber nicht einberufen worden. Dazu das Gericht im Wortlaut: „Abschließend ist (...) festzustellen, daß die zuständige Wehrersatzbehörde einen Wehrpflichtigen bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres mustern soll. (...) Im Anschluß daran kann er – sofern Wehrdienstausnahmen nicht bestehen – einberufen werden. Sollte einer Einberufung entgegenstehen, daß der Wehrpflichtige bei einem Truppenteil zunächst nicht eingeplant werden kann, kann eine Einberufung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Sollte ein Wehrpflichtiger dann allerdings zurückzustellen sein, darf (und soll) dies nicht dazu führen, daß er nunmehr bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres einberufen werden kann. Denn (...) auf diesem Weg würden einem Wehrpflichtigen letztlich (...) nicht in seiner Person liegende, d.h. von ihm nicht zu beeinflussende Umstände angelastet werden.“
Laut Peter Tobiasen von der Bremer Zentralstelle KDV betrifft das Urteil Tausende junger Männer, die in den späten 80er Jahren aus Planungsgründen nicht gezogen wurden. Wegen kommender geburtenschwacher Jahrgänge beabsichtigte die damals noch 500.000 Mann starke Truppe, sich für spätere Zeiten Rekruten „aufzusparen“. Dazu Tobiasen: „Die mißlungene Planung der Bundeswehr darf nicht auf Kosten der Wehrpflichtigen gehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen