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Winternotprogramm: Ist mehr wirklich mehr?

■ Zusatz-Betten für Obdachlose in städtischen Einrichtungen, dafür aber weniger Plätze in Kirchengemeinden Von Sannah Koch

Wird mehr wirklich mehr sein? Oder praktisch doch weniger als in den vergangenen Jahren? Jede Menge Zahlen bot Hamburgs Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel gestern den PressevertreterInnen im Rathaus. Ihre Botschaft: Nicht weniger, sondern mehr Winter-Notbetten für Obdachlose werde die Stadt in diesem Jahr bereitstellen. Wie die taz berichtet hat, soll die Zahl der – bislang unbeliebten – Schlafplätze in staatlichen Unterkünften erhöht werden. Dafür werden aber Containerplätze in Kirchengemeinden abgebaut. Die wiederum waren von den Obdachlosen sehr gut angenommen worden.

60 zusätzliche Betten in der Übernachtungsstätte Pik As und 52 Plätze auf dem Floatel Stockholm, einem Wohnschiff in Neumühlen, sollen in der kalten Jahreszeit garantieren, daß „auch in diesem Winter niemand auf der Straße übernachten muß“, so die Senatorin. Nach Schätzungen der Behörde leben rund 500 Menschen in Hamburg auf der Straße. Die zusätzlichen Plätze, so die Senatorin, stünden ab sofort bereit, im vergangenen Jahr habe es Anfang November noch keine Notbetten gegeben.

Ein Versuch, der Kritik die Luft aus den Segeln zu nehmen: Die war in den Bezirken, Kirchengemeinden und in den Obdachlosenhilfeeinrichtungen laut geworden, als vor einigen Wochen die Einsparungen beim Containernotprogramm bekannt wurden. Statt der 156 Schlafplätze auf Kirchenflächen in 1993 soll es dieses Jahr nur noch rund 100 Betten in den Drei-Personen-Containern geben. Außerdem hat die Behörde das Betreuungshonorar reduziert und will außerdem, daß die Kirchen künftig die Stromkosten tragen.

„So sollte man mit der sozialen Verantwortung gegenüber Odachlosen nicht umgehen“, schimpfte gestern die Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Gefährdetenhilfe darüber. Die Senatorin konterte: „Wer immer über Humanität und soziale Kälte spricht, kann auch einen finanziellen Beitrag beisteuern.“

Ausweiskontrolle, Kriminalität und die Größe der Schlafsäle hatten viele Obdachlose davon abgehalten, die Betten im Pik As und auf den Wohnschiffen aufzusuchen. Die Senatorin räumte gestern ein, daß die staatlichen Angebote nur zu etwa 65 Prozent ausgelastet waren, das kirchliche Programm jedoch zu 90 Prozent. An diesen Rahmenbedingungen wird sich dennoch wenig ändern: Statt dessen sollen eine höhere Auslastung angestrebt und Fehlbelegungen abgebaut werden. Im vergangenen Jahr hätten auch Pendler aus dem Osten oder Neuhamburger auf Arbeitssuche das Notprogramm genutzt. Um dies zu verhindern, würden künftig auch weiterhin Ausweiskontrollen in den städtischen Einrichungen notwendig sein, so die Senatorin.

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