Gigantomanie am Millerntor

■ Riesen-Hallen auf dem Heiligengeistfeld geplant / Glacischaussee soll unter die Erde, Planten un Blomen gestutzt werden Von Marco Carini

Heiligengeistfeld halbiert. Glacischaussee ab in den Tunnel. Planten un Blomen stark beschnitten. 5.000 neue Parkplätze unter der Erde. Dafür: Eine der modernsten Mehrzweck-Arenen Europas mit Komplett-Überdachung für insgesamt 71.000 Zuschauerinnen. Zum Preis von weit über einer halben Milliarde Mark.

Ein Alptraum? Bürgermeister Voscheraus Stadtvisionen? Pure Spinnerei? Weder noch! Gestern legte die Hamburger Projektentwicklungs-Gesellschaft „Richter & Partner (R&P)“ ihre Pläne für den „Arena-Park Hamburg“ vor. Bis 1999 will R&P am Millerntor ein 600 Millionen Mark teures „Sport-und Show-Centrum mit Weltniveau“ auf einer Fläche von 66.000 Quadratmetern aus dem Boden stampfen.

Das Projekt im Detail: Mittelpunkt der Arena I (“Das Stadion“) soll eine fußballfeldgroße Fläche sein, auf der Bundesligaspiele, Mammut-Konzerte, Messen und diverse Show-Großveranstaltungen stattfinden können. Das Dach läßt sich je nach Wetterlage öffnen und schließen. 55.000 ZuschauerInnen sollen auf 50.000 überdachten Sitz- und 5.000 Logenplätzen Platz finden.

Etwas kleiner ist die Arena Nummer 2 (“Die Mehrzweckhalle“): „Hier sollen 15.000 ZuschauerInnen bei Sport- und Showveranstaltungen Platz finden. Beide Arenen können nach Bedarf auch geteilt werden, um Veranstaltungen unterschiedlicher Größenordnung zu ermöglichen. In den Außenbereichen und auf dem Verbindungsstück zwischen beiden Hallen sollen Büros, Läden, ein Hotel, Gaststätten, 250 Wohnungen und – nach den Vorstellungen des HSV – ein Rehabilitationszentrum untergebracht werden. 5.000 unterirdische Parkplätze und 2.000 Fahrrad-Stellplätze komplettieren das Ensemble.

Der Standort: Mittelpunkt der Doppelarena soll die Glacischaussee werden, welche die Investoren für 50 Millionen Mark unter die Erde verlegen wollen. Von dort lappt der Giganten-Komplex jeweils 25.300 Quadratmeter aufs Heiligengeistfeld und in die Wallanlagen und nach Planten un Blomen über.

Die Finanzierung: Keinen Pfennig dazubezahlen soll nach den Konzepten der PlanerInnen die Stadt Hamburg. Im Gegenteil: Rund eine Million Mark jährlich wollen die Betreiber an die Stadt zahlen, wenn sie die städtischen Flächen rund um die Glacischaussee für den „Arena-Park“ freigibt.

Die für den Gesamtkomplex veranschlagten 593 Millionen Mark sollen durch einen sogennanten „offenen Immobilien-Fonds“, in den private Anleger einzahlen können, oder über eine „Immobilien-Beteiligungs-KG“ aufgebracht werden. Wirtschaftsbehörden-Sprecher Wolfgang Becker ist da aber bislang mißtrauisch: „Bislang haben alle Investoren, die uns Pläne für eine Mehrzweck-Halle präsentiert haben, stets versprochen, daß das die Stadt nichts kostet. Doch nach genauer Betrachtung sah das dann stets ganz anders aus.“

Politische Chancen: „Wir waren am Montag bei Stadtentwicklungssenator Mirow. Unser Projekt ist dort sehr positiv aufgenommen worden“, prahlt Arena-Projektleiter Gunter Retelsdorf. Thomas Mirow hingegen ließ der taz gestern mitteilen: „Es hat noch keinerlei Gespräche gegeben“. Mirow-Sprecher Bernd Meyer: „Da waren bislang nur zwei Herren bei uns, die eine Projektmappe abgegeben haben.“

Auch die Wirtschaftsbehörde bekam das Nutzungskonzept erst vorgestern präsentiert. Zwar verheißt das Projekt der Stadt zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen, aber auch ein Verkehrschaos und entschiedenen politischen Widerstand im Karo- und Schanzenviertel.

HSV und St. Pauli: Nach Vorstellung der Projektplaner sollen die Rothosen und die Braunhemden ihre Heimspiele in Zukunft in der Arena austragen. HSV-Präsident Ronny Wulff würde dafür das Volksparkstadion glatt verschrotten: „Wir sind sofort bereit umzuziehen“. Der Kiez-Club aber würde nach Wulffs Vorstellungen außen vor bleiben: „Die St. Pauli-Fans werden es nicht akzeptieren, wenn ihre Mannschaft im gleichen Stadion spielte wie der HSV“. Wulff weiter: „Wenn wir der Stadt zum Nulltarif so eine Arena bauen, dann kann die Stadt zumindest mal 10 Millionen Mark springen lassen, um das Millerntor-Stadion zu renovieren und auf 30.000 Zuschauer zu erweitern“.

Der Club vom Millerntor wurde von den Arena-Entwicklern zwar miteingeplant, nicht aber informiert. St. Pauli-Vize Christian Hinzpeter gestern zur taz: „Ich habe davon heute erfahren und bin aus allen Wolken gefallen“. Das genaue Konzept kenne er „jedoch nicht“. Hinzpeter: „Man kann schon überrascht sein, wenn Herr Wulff eine neue HSV-Spielstätte in unserer Nachbarschaft mitpräsentiert, ohne daß wir unterrichtet oder gar gefragt werden“. Denn alle 14 Tage „40.000 HSV-Fans im St. Pauli-Viertel“ - das dürfte Hamburgs Polizei mächtig ins Schwitzen bringen.