: Bei Depressionen: Übermaxx-forte
■ Heftige Kritik am Museums- und Kinoneubau am Bahnhof: „Kultur als Feigenblatt der Wirtschaftsförderung“
Mehr Gäste in der Stadt, mehr Übernachtungen, mehr Arbeitsplätze: All das und mehr versprechen sich das Wirtschafts- und Kulturressort von der neuen Sorte Kulturzentrum, die nahe dem Hauptbahnhof entstehen soll. Unter einem Dach sollen dabei ein „Cinemaxx“-Kinozentrum und die dringend notwendige neue Schausammlung des Überseemuseums zusammenkommen; schon tauft die Lokalpresse das Gebilde auf den Kosenamen „Übermaxx“. „Größere ökonomische Effekte“ fürs Museum und wohl auch für die Stadt als Ganzes sollen dabei herausspringen – vor Ort aber äußern die Poltiker, trotz aller Versprechungen, Mißtrauen gegen das Monstrum: Nichts gegen das Museum, „aber was uns stört, ist dieses Paket“, hieß es auf Sondersitzung des Ortsbeirats Mitte. Das sonderbare Doppelprojekt sei ein schönes Beispiel dafür, „daß Kultur hier in Bremen nur ein Feigenblatt für die Wirtschaftsförderung ist.“
Die Allianz zwischen Museum und Kommerzkino erscheint dem Beirat fragwürdig. Daß das Museum genötigt sei, als „Trittbrettfahrer“ der Wirtschaft auf das Projekt aufzuspringen, findet die Kritik fast aller Parteien. Anders aber wird's wohl nicht gehen, wie Museumsleiterin Viola König erklärt: „Das Wirtschaftsressort wird nie willens sein, uns eine hundertprozentige Lösung nur fürs Museum zu finanzieren.“ Und Barbara Loer, Sprecherin des Kulturessorts, bekräftigt: „Wir kriegen für diese Schausammlung entweder eine Trittbrettfahrerlösung oder gar keine.“
Aufs Trittbrett sind die Museumsleute, wie sich nun herausstellt, durch Senatsbeschluß verfrachtet worden. Ein entsprechender Beschluß vom März –93 sieht vor, daß die Ressorts für Kultur und Wirtschaft künftig nach gemeinsamen Lösungen für die drängenden Kulturprojekte der Stadt suchen mögen. Was das Kulturressort nicht aus dem eigenen, schmalen Haushalt finanzieren kann, soll nun auf dem Umweg über die Wirtschaftsförderung in Gang gebracht werden. Dazu muß sich das Unternehmen Kultur natürlich rechnen. Per Wirtschaftsgutachten ließen die Ressorts im Herbst klären, welches der darniederliegenden Bremer Museen denn am ehesten geeignet sei, durch verstärkte Imagepflege die Touristenfrequenz zu steigern – und da ergab die Kalkulation, daß „man mit dem Überseemuseum größere ökonomische Effekte erzielen kann“ als z.B. mit dem Fockemuseum, sagt Hans-Joachim Torke aus der Wirtschaftsbehörde.
Bei seiner Beurteilung stütze sich das Wirtschaftsressort freilich „nur auf die Frage, ob das Projekt die Attraktivität der Innenstadt steigern kann“, also: Ob ein verschönertes Museum samt Kinoanhang mehr Besucher zieht; ob das die Zahl der Übernachtungen, der Lokalbesuche und sonstigen Kaufaktionen steigert. Die genauen Daten des Gutachtens werden beim derzeitigen Stand der „Vorverhandlungen“ zwar nicht herausgerückt; mittelfristig könnten aber umgerechnet „etwa 100 neue Arbeitsplätze“ durch das neue Kulturangebot folgen, weiß wiederum Barbara Loer zu berichten. Und gibt gleichzeitig zu bedenken, daß es auch Kulturinvestitionen gibt, „die sich vielleicht nicht genau in Mark und Pfennig ausrechnen lassen“.
Gleichviel: Auch, wenn die genauen Zahlen vorerst nicht genannt werden, verlangt der Beirat nun umso drakonischer „Akteneinsicht“ in alle Planungsvorgänge, „vollständige Aufklärung“ über das bisherige Verfahren sowie „sofortige Wettbewerbsausschreibung“. Denn nicht nur die seltsame Kulturmischung, sondern auch die beabsichtigte Größenordnung des Gebildes wird von Ortspolitikern wie Anwohnern mit Sorge betrachtet. 13.000 Quadratmeter Fläche sollen entstehen, allein das Kino soll 2.900 Sitzplätze umfassen. Den entsprechenden Verkehr müßten die Anwohner am Breitenweg dann zusätzlich zum täglichen Hochstraßenstreß verkraften. „Bei Depressionen“, sagt Anne Albers (SPD) mit Blick auf den „Übermaxx“, „gibt es hier immer einen Hang zur Flucht in die Grandiosität“. tom
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