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Gespenster in Mailand

■ Milans Absturz, Inters Agonie: Italiens Liga frohlockt über die Krise der Mailänder Meisterschaftsabonnenten

Berlin (taz) – Wenn heute abend die Mailänder Klubs Inter und AC ihr Achtelfinal-Rückspiel (Hinspiel: 2:1 für Inter) im italienischen Pokal bestreiten, geht es nicht nur wie üblich um die Vormacht in der lombardischen Metropole, sondern auch um die bittere Notwendigkeit, sich eine zusätzliche Chance auf internationale Präsenz in der nächsten Saison zu wahren. Es steht nämlich schlecht um die beiden Renommiervereine. Inter, UEFA-Cup- Gewinner 1994, ist im laufenden Wettbewerb bereits gegen Aston Villa ausgeschieden, Milan krebst nach zwei Punkten Abzug wegen des Flaschenwurfs von San Siro am Ende seiner Champions-League- Gruppe herum. In der Meisterschaft liegt der AC, der jahrelang unerschütterlich die Spitze der Tabelle besetzt hielt, auf einem peinsamen achten Rang, Inter gar auf Platz elf. So wie beide momentan spielen, deutet nichts darauf hin, daß sie am Saisonende auf den UEFA-Cup-Plätzen oder gar ganz vorn zu finden sein werden, wo sich derzeit Parma und die römischen Teams AS und Lazio tummeln.

Logisch, daß unter diesen Umständen der Haussegen in Mailand mächtig schiefhängt. „Was bei uns nicht funktioniert? Alles!“ raunzte Milans einsamer Stürmer Ruud Gullit nach dem 0:0 bei AEK Athen in der Champions League. Am Sonntag wurde der Niederländer dann beim traurigen 0:0 gegen Sampdoria Genua von den eigenen Fans bei jeder Ballberührung ausgepfiffen und mit „Marco van Basten“-Sprechchören verhöhnt. Gullit, den Trainer Fabio Capello kürzlich noch als „besten Mittelstürmer, der je erfunden wurde“ bezeichnete, wird von den Milan- Anhängern für die Sturmmisere verantwortlich gemacht. Fünf Tore hat der AC Mailand an sieben Spieltagen erst geschossen, nur die beiden Tabellenletzten Brescia und Reggiana trafen seltener. „Wenn man wenig trifft, ist es nicht nur die Schuld der Stürmer, sondern der ganzen Mannschaft“, verteidigt sich Gullit, auf dessen Konto immerhin drei der mageren fünf Treffer gehen. „Ich kann schließlich nicht flanken und gleichzeitig im Strafraum sein, um das Tor zu machen.“

Auch in der letzten Saison war Milans Torausbeute nicht gerade üppig, nur reichte es stets zu knappen Siegen und damit zur Meisterschaft. „Alles ist genauso“, beharrt Fabio Capello, „nur die Punkte in der Tabelle haben sich verändert.“ Und die Zahl der Gegner, denn seit es AC-Boß Silvio Berlusconi zum Ministerpräsidenten gebracht hat, freut sich nicht nur die fußballerische Konkurrenz über jede Milan-Schlappe, sondern es jubilieren und spotten auch sämtliche politischen Gegner des umtriebigen „Forza Italia“-Großmauls.

Mit solchen Problemen hat Inter-Chef Ernesto Pellegrini nicht zu kämpfen, aber er hat genug andere. Da sind die Geldsorgen nach dem frühen Europacup-Aus. Zwölf Millionen Mark müssen nämlich noch an Roter Stern Belgrad für den Makedonier Darko Pancev gezahlt werden, einen Stürmer, der nach dramatischem Formabfall sogar für den VfB Leipzig zu schlecht war und auch am Sonntag beim glücklichen 0:0 in Foggia „wie ein Gespenst“ (Corriere della Sera) über den Platz irrte. Ihn wird Pellegrini kaum verkaufen können, also versucht er, den Niederländer Dennis Bergkamp loszuschlagen, der im defensiven Inter- System nicht zurechtkommt. Ohne ihn und seinen Landsmann Wim Jonk wurde im Pokal gegen Milan gewonnen, mit den Holländern gab es zuletzt deftige Niederlagen.

Bayern München war an Bergkamp interessiert, wollte jedoch nicht genug zahlen. Der Transfer platzte (vorläufig?). Für das Spiel in Foggia meldeten sich die beiden Niederländer vorsichtshalber krank, was ihnen in Mailand keiner abnahm, aber auch ohne sie lief alles schief. Inter war eklatant unterlegen, schob die Schuld am Punktverlust jedoch flugs dem Schiedsrichter zu. „Warum immer wir“, rief Pellegrini verzweifelt, der Corriere wußte prompte Antwort: „Weil Inter aus der Gruppe der Großen verschwunden ist.“ Matti

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