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■ Frauen, Politik und MachtLautlose Kämpfe

Er war trostlos männerzentriert, dieser Wahlkampf, und eine einzige interessengeleitete Suggestion. Der Zeit war die Ablichtung der eilfertigen Ehefrauen regierender Herren eine ganze Seite wert. Die Bilder führender Parteifrauen mußte man suchen. Rita Süssmuth fand neben Kohl keinen Platz. Außer Klaus Kinkel gab es für die FDP nichts. Neben ihre drei Männer schrieb die SPD zur Erläuterung: „stark“. In der Diaspora durfte Mutter Hildebrandt helfen. Die Bundestagswahlen wurden so traut als harter starker Männerkampf in gefährlichen Zeiten inszeniert. Wo Mann gegen Mann antrat – da war die Arena voll besetzt und der Kampf Frau gegen Mann oder gar Frau gegen Frau abgesagt.

Als politische Konkurrentin war die Frau schon früh aus dem Feld geräumt worden. Und weil so schöner Wahlkampf war, hielten auch die Politikerinnen das Maul. Dies war Höhepunkt einer schleichend regressiven Entwicklung, die mit der deutschen Einheit eingesetzt hat und in deren Gefolge die einstmals zentrale Geschlechterfrage auf einen der hinteren Plätze verwiesen wurde.

Gleichwohl: Unter der Oberfläche findet eine Art Stellungskrieg statt, in dem Frauen ihre eroberten Positionen verteidigen. Mit dem Wahltag ist Meßtag. Wieviel mehr oder weniger Politikerinnen gibt es? Quantitäten sind auch von qualitativer Bedeutung. Mit dem 16. Oktober jedenfalls verbuchen Frauen einige Zentimeter mehr an Zahl und Profil für sich. Der Anteil weiblicher Abgeordneter im Bundestag ist von 20,4 Prozent auf 26,2 Prozent gestiegen. Die Wirksamkeit der Quotierung von Wahllisten hat sich insbesondere bei der SPD bewiesen. Während Frauen Männern in deren vorgeschobener Bastion der Direktmandate nur wenige Plätze streitig machen konnten, sind die Sozialdemokratinnen auf den Landeslisten oft schon bis zu 40 Prozent und mehr vertreten.

Den niedrigsten Frauenanteil hat die CSU, gefolgt von CDU und FDP. Die SPD hat ihre beschlossene Drittelquote mit 32,9 Prozent erreicht, die PDS kommt auf 43 Prozent Frauen, die Grünen stehen an der Spitze mit 57 Prozent Frauen. Relativ gesehen wird die CDU am stärksten von älteren Frauen gewählt, während sich die Jüngeren am meisten zu den Grünen hingezogen fühlen. Jede Partei hat ihren spezifischen Frauentypus, von kompetent bis hadernd und nett-patent bis eigenwillig. Das Themenspektrum der Frauen ist breit. Viele sind „frauenbewußt“, und einige verstehen sich gar als Feministinnen. In allen Parteien findet sich mittlerweile eine politikerfahrene souveräne Frauengeneration, die weiß, was sie will. Die profiliertesten, selbstbewußtesten und kämpferischsten Frauen haben die Grünen. Für sie macht sich bezahlt, den Konflikt mit den Männern ausgetragen und sich selbst befreit zu haben. Bei allen Fragwürdigkeiten haben sie die Spielregeln ihrer Partei verändert, sie kennen das Metier und haben gleichwohl einen eigenen Stil erworben.

Bemerkenswert sind auch die Kommunalwahlergebnisse in Nordrhein-Westfalen. Vier Sozialdemokratinnen gelang es, in den Großstädten Bonn, Düsseldorf, Münster und Bielefeld langjährig eingesessene Männer mit einem Schlag als Oberbürgermeister abzusetzen. Ihr Einzug findet gewiß nicht zufällig im Angesicht leerer Kassen und riesiger Probleme auf der „kleinen“ Politikebene statt. Wenn „die Basis“ eine Rolle spielt, wächst hier etwas Neues. Alle Frauen haben Kinder, ein „normales Familienleben“, Beruf und Politik. Sie kandidierten mit „weichen“ Themen wie Lebenswandel, Verkehrs- und Wohnungsbauplanung und einer Politik des Runden Tisches gegen Arbeitslosigkeit. Rotgrüne Bündnisse sind für sie eine Selbstverständlichkeit.

Das politische Engagement in BürgerInnen-Initiativen ist heute zwar kleinteiliger und kurzweiliger, aber immer noch sehr hoch. Und hier finden sich Frauen meist in der Mehrheit. Auch das politische Hinterland des parlamentarischen Systems hat sich verändert. Es gibt ein Netzwerk frauenspezifischer Fachzusammenschlüsse wie nie seit Bestehen der Bundesrepublik. Die Frauen haben also allen Widerständen zum Trotz die Kräfteverhältnisse für sich leicht verschoben, doch sie sind um einiges davon entfernt, die politische Landschaft wirklich neu zu beackern.

Zunächst organisierten sich Frauen in Abgrenzung zur etablierten Politik autonom. Viele versuchten dann, Herrschaftsstrukturen und Mechanismen zu erkennen. Mittlerweile haben Frauen sich politische Macht angeeignet und dabei ihr Verhältnis zu selbiger verändert. Sie sind im System der Macht stärker repräsentiert, ihr Umgang mit ihm ist professionalisiert. Vielen reicht es, dabeizusein. Andere haben ihre Kritik am patriarchalen System differenziert, aber nicht aufgegeben.

Zugleich aber bleibt der Zusammenhang von Frauen und Macht doppelt gespalten. Es wirkt ein modifizierter extensiver und intensiver Ausschlußmechanismus. Ausgegrenzt oder an den Rand gedrängt werden jene Frauen, die sozial aus den Zentren der Gesellschaft herausfallen. Junge, Ältere, Sozialhilfeempfängerinnen, einfache Lohnabhängige, „Rückständige“ oder „Anfängerinnen“ aller Art – wer die Spielregeln nicht kennt und den Zugang zu sozialen, politischen und kulturellen Positionen, Instrumenten und Methoden der Durchsetzung von Interessen nicht hat, wird abgestoßen. Ausgeschlossen werden Frauen ferner vom Allgemeinen bzw. von umfassender gesellschaftspolitischer Gestaltung. Männer wehren sich heftig gegen eine „50-Prozent-Quote querbeet“, weil sie sich das Recht vorbehalten wollen, den Rahmen des Ganzen und die grundlegenden Spielregeln zu bestimmen. Kontrolle, Definitions- und Herrschaftsmacht über das Allgemeine – Nation, Werte, Polizei, Außenpolitik, Technik, Arbeitsmarkt und Körper – sollen ihr Monopol bleiben. Abgedrängt werden damit auch alle inhaltlichen und organisatorischen Politikansätze, die Gesellschaftskritik radikalisieren.

Wenn Frauen nicht neue Ungleichheit mitproduzieren wollen, müssen sie darauf eine Antwort finden. Sie müssen sich nicht nur größere Räume in den Parteien, sondern auch offene Zugänge zu den Parteien erkämpfen, die den Wählerinnen originären Einfluß einräumen. Für unabhängige Frauenorganisationen ist es nötig, daß öffentliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Frauen sollten sich auch im Feld der Arbeit neu organisieren – so schwierig das zum Beispiel für Hausfrauen, kleine Angestellte, Erwerbslose auch sein mag – und neue Strategien insbesondere gegenüber den Gewerkschaften entwickeln.

Sie brauchen ein Politikkonzept, das zuvorderst auf eine Neudefinition des „Allgemeinen“ und auf die Überwindung geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung zielt. Nicht nur die klassisch weiblichen Themen, sondern gerade alle politischen Felder sind zu „besetzen“, eben auch die Verteidigungspolitik oder die „Innere Sicherheit“. Mechtild Jansen

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