Kein Grund zur Aufregung: Riesiger Ölsee schwappt über

■ Umweltkatastrophe im Norden Rußlands

Berlin (taz) – Im polaren Norden Rußlands läuft ein riesiger Ölsee aus. Achtmal schlimmer als die Umweltkatastrophe, die vor fünf Jahren der Tanker „Exxon Valdez“ an den Küsten Alaskas anrichtete, sei die Ölpest in der Provinz Komi, schreibt die New York Times. Nie allerdings wäre Rußlands neueste Ölpest 100 Kilometer westlich des Uralgebirges bekanntgeworden, würden nicht die USA die gesamte Erdoberfläche aus dem All per Satellit gründlich überwachen.

So erfuhr US-Energieminister William White zuerst von einem riesigen Ölsee und dann von dem Dammbruch am 1. Oktober. Der See, der nach amerikanischen Angaben 300.000 Tonnen Öl enthält, war wiederum nach dem Bruch einer Pipeline entstanden. „Vor Monaten“, wie der russische Minister für Katastrophenschutz, Alexander Awdoschin, daraufhin bestätigte, um zu ergänzen, daß für die Umwelt keine Gefahr bestehe.

„Nichts Besonderes“ können auch die Mitarbeiter von Greenpeace in Moskau an der US-Meldung finden. „Acht bis zehn Prozent der russischen Erdölförderung versickern sowieso aus den russischen Pipelines“, sagte gestern Elena Surowinkina. Das sei die eigentliche, wenn auch unspektakuläre Katastrophe, weil so jedes Jahr zwischen 25 und 50 Millionen Tonnen Öl die russische Arktis verschmutzten. Zum Vergleich: Die „Exxon Valdez“ verlor 42.000 Tonnen Öl, die „Braer“ vor Schottland Anfang 1993 85.000 Tonnen ihrer Fracht, die Aegean Sea 1979 300.000 Tonnen Öl.

Nach Informationen, die Surowinkina aus dem russischen Energieministerium bekam, weist die geborstene Pipeline bereits auf den 40 Kilometern vor der Bruchstelle 200 unterschiedlich große Löcher auf. Der Betreibergesellschaft „Komineft“ sei die Auflage gemacht worden, diese zu reparieren und auch den Ölsee bis zum 1. April, vor dem Ende der Frostperiode, zu beseitigen. Die Greenpeace- Sprecherin äußerte sich skeptisch, daß „Komineft“ die Reinigungsarbeiten vornehmen wird – aus Geldmangel.

Ein Sprecher von „Komineft“ gab zu, daß die Ölleitung bereits seit 1988 undicht gewesen sei. Der gravierendste „Zwischenfall“ habe sich im August zugetragen, als 350.000 Tonnen Öl in die Umwelt gelangten. Man habe aber alles unter Kontrolle. Arbeiter seien damit beschäftigt, Wasser von Öl zu scheiden und Pflanzen und die Flußufer zu reinigen.

Laut New York Times gefährdet das Öl die Barentssee. Das Öl habe bereits einen Nebenfluß der Petschora erreicht, die in das Nordmeer mündet. In den frostigen Temperaturen kommt der dreizehn Meter breite, zehn Kilometer lange und einen Meter hohe Ölteppich zum Glück nur sehr langsam voran. Welche Wirkung die Verschmutzung auf das hochempfindliche arktische Ökosystem haben wird, traute sich gestern mangels Informationen kein Experte zu sagen. Donata Riedel