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Der Schatz des Priamos ist in Moskau aufgetaucht

■ Jahrzehnte verschollenes Gold gefunden

Berlin (taz) – Jahrzehntelang galt er als vernichtet, dann als verschollen, dann als versteckt in einem russischen Geheimdepot, der legendäre Schatz des Priamos. Seit 1939 Mitarbeiter des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte ihn sicherheitshalber in Kisten verpackten, damit das im vorigen Jahrhundert von Heinrich Schliemann in Troja ausgebuddelte Gold den Krieg unbeschädigt überstehe, hat kein Wissenschaftler ihn jemals wieder gesehen. Bis gestern. Nach einem dramatischen deutsch-russischen Hin und Her konnten sich jetzt vier Berliner Museumsexperten in Moskau davon überzeugen, daß es ihn wirklich noch gibt, daß man ihn sogar anfassen kann. Noch sind die Experten Wilfried Menghin, Klaus Goldmann, Burckhard Göres und der Chefrestaurator des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Moskau und reiben sich vor Glück die Augen. Ob er vollständig, wirklich das Original und kein Duplikat ist, muß sich noch herausstellen. Im nächsten Jahr soll das Gold in einer großen Ausstellung in Moskau zu sehen sein.

Bis zur letzten Sekunde versuchte die Hüterin des Schatzes, die Direktorin des Puschkin-Museums, Irina Anatonowa, diesen Besuch zu verhindern. Bis vor kurzem bestritt sie gar, daß die Perlenschnüre, die Diademe, die Ohrgehänge und Goldgefäße aus dem dritten vorchristlichen Jahrtausend wirklich in ihrem Geheimdepot liegen, obwohl sie selbst dabei war, als im Juni 1945 das Gold als sogenannte „Beutekunst“ von Berlin in die Sowjetunion transportiert wurde. Als im Sommer vorigen Jahres der russische Kulturminister Jewgenij Sidowro dann offiziell bestätigte, daß er sogar acht Einzelteile berührt habe, trat Frau Antonowa die Flucht nach vorne an. Nicht nur der Priamos-Schatz ruhe unversehrt im Keller ihres Museums, sondern auch der berühmte Goldschatz aus Eberswalde, erklärte sie. Aber all diese Kleinode seien keine „Trophäen“, die nach dem deutsch-russischen Kulturabkommen vom 16. Dezember 1992 zurückzugeben sind, sondern rechtmäßiger Besitz der Russischen Föderation, eine „Kompensation für erlittene Kriegsverluste“. Sie beruft sich dabei auf ein Gutachten der Rechtsabteilung der russischen Akademie der Wissenschaften, welche alle verschleppten Kunstgüter als legalen russischen Besitz einstuft.

Die Besichtigung des Schatzes klärt daher nicht die Frage, wem das Gold gehört. Der Streit darüber wird im Januar 1995 auf einer internationalen Tagung über „missing arts“ in New York verhandelt. Neben Rußland reklamiert das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte sein ehemaliges Eigentum für sich. Schliemann habe den Schmuck zwar nach Deutschland geschmuggelt, um ihn Kaiser Wilhelm I. zu schenken, aber durch eine nachträgliche Entschädigungszahlung an das Osmanische Reich sei er zum rechtmäßigen deutschen Besitz geworden. Vehemente Ansprüche formuliert auch die Türkei. Sie möchte, daß alle Troja- Funde auf dem historischen Boden versammelt sind. Anita Kugler

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