Neuer Aufbruch im ärmsten Land der Welt

Morgen und übermorgen geht das afrikanische Mosambik wählen. Die einstigen Kriegsgegner „Frelimo“ und „Renamo“ wollen nur noch politisch streiten. Aber die Vergangenheit lastet schwer. Ein Rückblick auf 30 Jahre Krieg  ■ Von Dominic Johnson

Kaum ein Land hat so lange den Dornröschenstatus gepflegt wie Mosambik, mit einer ständig leuchtenden Zukunft, die aber immer hinter dem Horizont der nachtschwarzen Realität verborgen bleibt. In dem von Naturreichtümern gesegneten Land sind Gesellschaftsentwürfe aller Art ausprobiert worden. Nun soll nach den morgen beginnenden Wahlen die Ära der Marktwirtschaft und der Demokratie anbrechen.

Das Risiko besteht, daß auch diesem neuen Morgenrot mit militärischen Mitteln von außen auf den Weg geholfen muß. Am Montag abend drohten die im Nachbarland Simbabwe tagenden Staatschefs des südlichen Afrika mit einer Militärintervention, falls die einstige Guerillabewegung „Renamo“ sich einer Wahlniederlage nicht beugt, wie ihr Führer Alfonso Dhlakama angedeutet hatte. Der bei dem Staatengipfel anwesende Dhlakama gab schnell klein bei; doch die Episode wirft ein Schlaglicht auf den Status Mosambiks in einer Region, die sich gerade von einem dreißigjährigen Krieg zu erholen beginnt.

Mosambik begann seine Existenz als portugiesische Kolonie, die im 19. Jahrhundert aus den portugiesischen Handelsniederlassungen am Indischen Ozean sowie einigen wenig erschlossenen Hochflächen und dem unteren Teil des Sambesi-Flusses zusammengefügt wurde. Der bewaffnete Kampf der Mosambikaner gegen die Kolonialherrschaft begann 1962, als im tansanischen Exil die „Mosambikanische Befreiungsbewegung“ („Frelimo“) entstand. Als im Zuge der portugiesischen Nelkenrevolution 1974 das Kolonialreich Lissabons zerbröselte, zogen sich die Weißen hastig zurück und überließen der Frelimo die Macht. Am 25. Juni 1975 proklamierte Mosambik seine formelle Unabhängigkeit.

1975 war der Höhepunkt des im gesamten südlichen Afrika tobenden Krieges zwischen den weißen, vom Westen unterstützten Herrschern gegen die vom Osten bewaffneten schwarzen Bewegungen. Mosambik war nach Angola aus westlicher Sicht der zweite an die Schwarzen und somit an den Weltkommunismus gefallene „Dominostein“. Wenn eine Rückeroberung kaum möglich erschien, sollten die neuen Staaten zumindest nachhaltig geschwächt werden, so daß sie weiße Interessen nicht gefährden konnten.

So blieb Mosambik eine heiße Front des Kalten Krieges. Die Frelimo erhob 1977 den Marxismus- Leninismus zur Staatsideologie. Sie kämpfte gegen die schwarzen Soldaten der früheren Kolonialarmee, die der rhodesische Geheimdienst 1976 übernommen und als „Mosambikanischer Nationaler Widerstand“ (Renamo) zurück ins Feld geschickt hatte.

Wie der Name schon sagt, war Renamo keine Bewegung, die für die eigene Macht kämpfte. Sie sollte dem weißen Rhodesien ungehinderten Zugang zu den Häfen des Indischen Ozeans verschaffen und gleichzeitig die Hilfe der Frelimo für die in Rhodesien kämpfenden schwarzen Guerillabewegungen verhindern. Ein kohärentes politisches Programm hatte sie nicht. Die Renamo – dessen Führer Dhlakama übrigens vor der Unabhängigkeit bei der Frelimo kämpfte und von ihr wegen Diebstahls hinausgeworfen wurde – paralysierte alle wichtigen Transportwege des Landes. Viel weniger als ihr Pendant „Unita“ in Angola konnte sie sich aber auf Unterstützung bestimmter Landesteile und Ethnien stützen.

Nachdem Rhodesien 1980 unter dem Namen Simbabwe unabhängig wurde, übernahm Südafrika die Unterstützung der Renamo. Ihr wichtigster Zweck war verlorengegangen; da es sie nun aber einmal gab, nutzten die Apartheid-Herrscher sie als Destabilisierungselement. Und zweifellos wäre ihr Einfluß mit der Zeit verblaßt, hätte die Frelimo-Regierung unter dem 1986 in einem ungeklärten Flugzeugabsturz getöteten Präsidenten Samora Machel sich nicht irrealen realsozialistischen Experimenten hingegeben. Kollektivierung, überstürzte Industrialisierungspläne, Verstaatlichung des Handels – all dies, zusammen mit dem Krieg, ließ Mosambik laut Weltbank bis 1988 zum ärmsten Land der Welt verkommen. Anstatt Ideale zu verwirklichen, sorgte die Regierung dafür, daß Renamo eine gewisse Glaubwürdigkeit beanspruchen konnte.

Als daher gegen Ende der 80er Jahre die ideologischen Fronten aufweichten, blieb der militärische Konflikt bestehen. Die Renamo verlor ihre auswärtige Unterstützung und legte sich politische Zielsetzungen zu, in denen von Marktwirtschaft und Demokratie die Rede war. Demokratie und Marktwirtschaft entdeckte auch die Frelimo, die 1990 eine neue pluralistische Verfassung einführte.

Politisch trennt die beiden Gegner seither nur noch, daß der eine an der Macht ist und der andere nicht. Um den Machtkampf mit militärischen Mitteln zu beenden, schlossen Frelimo und Renamo 1992 ein von der UNO überwachtes Friedensabkommen; der politische Rahmen für die Machtverteilung soll jetzt durch die Wahlen geschaffen werden.

Nur eines hat sich nicht geändert. Mosambik ist zerstört – mit einer Million Kriegstoten neben 16 Millionen Überlebenden; Millionen Flüchtlingen, die jetzt zurückkehren und Starthilfe brauchen; und einer Wirtschaft, die sich erst noch vom Krieg erholen muß. Der Dornröschenschlaf mag zu Ende gehen, die leuchtende Zukunft liegt weiter jenseits des Horizonts.